Alte Dachbahnen neu genutzt

Wiederverwendung von Kunststoffabdichtungsbahnen reduziert CO2-Fußabdruck

Nach über zwei Jahrzehnten wurden die Kunststoffabdichtungsbahnen von einem Dach in Frankfurt am Main zurückgebaut und für die Abdichtung von zwei Wohnhausdächern wiederverwendet. Das Pilotprojekt zeigt, wie sich Ressourcen schonen und bestehende Baustoffe wiederverwenden lassen.

Die Wiederverwendung der Dachbahnen von einem Wohnhausdach in Frankfurt am Main ist Teil einer Baumaßnahme der Wohnungsbaugesellschaft Nassauische Heimstätte/Wohnstadt (NHW). Ziel des Projekts ist es, einen möglichst hohen Anteil an wiederverwendbaren Baumaterialien einzusetzen. Dabei wurden für zwei Wohnhausdächer in Kelsterbach die Dachbahnen eines Hauses aus der Fritz-Kissel-Siedlung in Frankfurt wiederverwendet. Es wurde kein neues Material für die Flächenabdichtung eingesetzt. Nur an den Stellen, an denen keine bestehenden Teile der Dachbahnen verwendet werden konnten, war neues Abdichtungsmaterial nötig – etwa für die Einfassungen am Ortgang, am First und an der Traufe.

 

Bestehende Dachbahnen in gutem Zustand

Als junger Bauingenieur hatte Dirk Schuchardt vor über 20 Jahren mit seinen Kollegen die „Sarnafil“-Abdichtungsbahnen auf dem Dach des Hauses in Frankfurt verlegt. „Nach mehr als 20 Jahren haben wir sie nun für die Wiederverwendung abgebaut“, sagt Schuchardt, der heute Juniorchef des gleichnamigen Dachdeckerbetriebs mit Sitz in Crainfeld ist. „Auf dem neuen Dach ließen sich die alten Dachbahnen wie am ersten Tag verarbeiten“, sagt der Bauingenieur.

Vor dem Rückbau der alten Dachbahnen wurde zunächst das bestehende Dach begutachtet. Dabei war Reiner Hubner, Gebietsleiter von Sika, von Beginn an involviert. Er konnte auf mehrere Studien und Gutachten verweisen, in denen „Sarnafil“-Kunststoffabdichtungsbahnen eine hohe Qualität, Dauerhaftigkeit und Langlebigkeit von über 55 Jahren bescheinigt wird. Dass die vorhandenen Dachbahnen in Frankfurt nach über 20 Jahren in einem so guten Zustand vorgefunden wurden, überraschte somit nicht wirklich.

 

Rückbau innerhalb von einem Tag

Im August 2021 wurden die Kunststoffabdichtungsbahnen mit einer Fläche von rund 500 m2 an einem Tag mit vier Mitarbeitern abgebaut und zunächst gelagert. Das Gebäude in Frankfurt, von dem die Bahnen zurückgebaut wurden, erweiterte man anschließend um ein Stockwerk. Mitte November 2021 wurde ein Teil der alten Dachbahnen erstmals neu verlegt, auf dem Dach eines aufgestockten Gebäudes in der Gundwaldstraße in Kelsterbach bei Frankfurt. Nur etwa 100 m entfernt in der Dreieichstraße begannen die Dacharbeiten im Februar 2022. Die Bauzeit betrug in beiden Fällen zwei Wochen. Die Wohnhäuser in Kelsterbach erhielten vor der Verlegung der Dachbahnen jeweils ein neues, aufgestocktes Geschoss. Dadurch sind in jedem Haus zwei neue Wohnungen entstanden.

 

Nahtbereiche vor dem Verschweißen säubern

Bevor eine Kunststoffabdichtungsbahn von einem Bestandsdach abgebaut wird, sollte man sie zunächst von groben Verunreinigungen und Schmutz säubern.

Die späteren Nahtbereiche werden dabei mit dem speziellen Sika-Reinigungsset „Speed Clean“ von Fetten und Verunreinigungen befreit. Das ist wichtig, damit keine Rückstände mehr vorhanden sind und die Naht später sauber verschweißt werden kann. „Die Reinigung der alten Dachbahn ist sehr wichtig: Dort, wo sie wieder thermisch verschweißt wird, muss sie absolut sauber sein, denn von der sauberen Naht hängt die Qualität des späteren Dachs ab“, erklärt Dirk Schuchardt. Wichtig sei auch die enge Zusammenarbeit mit dem Hersteller, um die Verlegung der vorhandenen Kunststoffabdichtungsbahnen richtig auszuführen.

 

Alte Bahnen aufschneiden und lösen

Das Lösen der Dachbahnen erfolgte auf dem Bestandsdach in Frankfurt durch das Aufschneiden des Materials neben den alten Schweißnähten und mitten in der Bahn. „Auf alle Fälle sollte man versuchen, eine laufende Bahn ohne Durchdringungen abzuschneiden. In unserem Projekt hatten wir zahlreiche Anschlagpunkte, Kamine und Durchdringungen in der alten Dachabdichtung, deren Öffnungen beim späteren Einbau mit altem Material geschlossen werden mussten“, erklärt Dirk Schuchardt. Sind nur wenige oder keine Öffnungen in der Bahn vorhanden, kann das die Wiederverwendung auf dem neuen Dach deutlich vereinfachen.

Möglichst viel Material wiederverwenden 

Für Robert Lotz, Leiter der Projektabwicklung 1 des Unternehmensbereichs Modernisierung & Großinstandsetzung der Nassauischen Heimstätte, war es wichtig, möglichst viel der vorhandenen Dachbahnen zu verwenden und neues Material nur dort einzusetzen, wo es technisch notwendig war. Fehlstellen in der alten Dachbahn wurden mit Altmaterial geschlossen.

Hoher Anteil von recycelten Baumaterialien

„Es war uns wichtig, den Anteil von wiederverwendbaren Baumaterialien bei der Aufstockung der Wohnhäuser so hoch wie möglich zu halten“, sagt Robert Lotz. Für die gesamte Aufstockung eines Gebäudes in Kelsterbach konnten etwa 50 Prozent der benötigten Materialien aus eigenen Rückbaumaßnahmen gewonnen werden. Neben den Dachbahnen wurden bestehende Fenster, Dachsparren, Innentüren und Trespa-Fassadenplatten aus dem Bestand für die Aufstockung erneut genutzt. Die Wände der aufgestockten Geschosse sind Holzrahmenwände, die zu 70 Prozent aus recyceltem Holz gebaut sind. Gedämmt wurden die Wände mit Zelluloseeinblasdämmstoff.

Insgesamt wurden durch den Einsatz von Recyclingbaustoffen pro aufgestocktem Gebäude 11 t CO2 eingespart, erklärt Robert Lotz. „Wir haben allein bei einem Gebäude durch die Wiederverwendung der alten Dachbahnen ersten Berechnungen zufolge 940 kg CO2 eingespart. Hierbei haben wir nur die Kunststoffabdichtungsbahn betrachtet“, so Lotz. Gleichzeitig konnten Ressourcen geschont und das Entsorgungsvolumen deutlich reduziert werden.

Autor

Thomas Kison ist Abteilungsleiter MFM Roofing bei der Sika Deutschland GmbH.

Bautafel (Auswahl)

 

Projekt Aufstockung und Dachabdichtung von zwei Wohnhäusern in Kelsterbach bei Frankfurt a. M. mit bestehenden Dachabdichtungsbahnen

Bauzeit 08/2021 bis 02/2022

Bauherr Nassauische Heimstätte Wohnungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH, Frankfurt am Main, www.naheimst.de

Dachdecker Schuchardt GmbH, Grebenhain-Crainfeld, www.schuchardt-kreatives-dachdesign.de

Produkte „Sarnafil TS 77-20“ aus dem Jahr 1998, Reinigungsset „Speed Clean“, „Sarnabar“-Befestigungsprofile, Sika Deutschland GmbH, Stuttgart, www.sika.de

Nutzungsdauer von über 55 Jahren

Im Rahmen von Feldversuchen hat das Institut für Bautenschutz, Baustoffe und Bauphysik aus Fellbach die Langlebigkeit der „Sarnafil-TG“- und „Sarnafil-TS“-Abdichtungsbahnen an über 100 Objekten unterschiedlichen Alters untersucht. Über einen Zeitraum von 30 Jahren nahm man regelmäßig Proben und analysierte 150 davon. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sprechen für eine Nutzungsdauer der Abdichtungsbahnen von über 55 Jahren.

Auf diesen Erfahrungen basiert die Rezeptur der neuen Dachbahn „Sarnafil AT (Advanced Technology)“. Diese ist eine Weiterentwicklung der „Sarnafil“-FPO-Dachbahnen und hat eine „Cradle-to-Cradle (C2C)“-Zertifizierung. „C2C“ ist ein Konzept im Sinne der Kreislaufwirtschaft. Dabei wird während der Produktentwicklung der gesamte Lebenszyklus bis hin zum Nutzungsende in den fünf Kategorien Materialgesundheit, Materialkreislauf, erneuerbare Energien, Wassermanagement und soziale Verantwortung betrachtet. Mehr Informationen finden Sie unter https://deu.sika.com.

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