„Ein Handwerksmeister ist nicht weniger wert als ein Hochschulmaster!“
Liebe Leserinnen, liebe Leser, es ist Anfang August, bald beginnt ein neues Ausbildungsjahr. Wenn in Ihrem Betrieb in diesem Jahr junge Lehrlinge anfangen, können Sie sich glücklich schätzen – denn viele Dachdecker- und Zimmereibetriebe haben es schwer, neue Auszubildende zu finden. Das könnte auch an dem Bild liegen, dass manche Eltern ihren Kindern von Handwerksberufen vermitteln. Hans-Peter Schwanneke, Generalsekretär des Zentralverbands des deutschen Handwerks, ging in einem Zeitungsinterview Anfang Juli auf das Thema ein. „Wenn Akademiker ihren Sohn, der ins Handwerk geht, als Bildungsabsteiger sehen, läuft doch etwas fürchterlich schief“, sagte er. In den Köpfen müsse sich einiges bewegen, damit sich wieder die folgende Erkenntnis durchsetze: Ein Handwerksmeister ist nicht weniger wert als ein Hochschulmaster.
Damit will er nicht das Studieren generell abwerten. Es gibt Studiengänge, die Lehre und Studium wunderbar miteinander verbinden: Bei einem trialen Studium können junge Leute mit Hochschulreife oder Fachhochschulreife in viereinhalb Jahren drei Abschlüsse machen: Geselle, Meister und Bachelor. Die Fachhochschulen des Mittelstands Köln, Hannover, Schwerin und die Hochschule Niederrhein bieten das triale Studium an. Am Anfang steht eine auf zweieinhalb Jahre verkürzte Ausbildung im Handwerk, etwa als Dachdecker. Abends und am Wochenende wird gelernt, nebenbei studiert. Nach der abgeschlossenen Gesellenprüfung folgt das Bachelorstudium, dann die Meisterschule. Die Absolventen werden so darauf vorbereitet, Führungspositionen in Handwerksbetrieben zu übernehmen.
Auch die angehenden Holztechniker der Philipp-Holzmann-Schule aus Frankfurt werden in ihrer Ausbildung darauf vorbereitet, später Führungsaufgaben zu übernehmen. Nach der zweijährigen schulischen Ausbildung arbeiten sie in holzverarbeitenden Betrieben, vom Möbelbau über die Holzwerkstoffproduktion bis zum Holzbau. Dass sie keine reinen Theoretiker sind, sondern auch praktisch begabt, zeigten die Schüler der Abschlussklasse 2017: Wie die angehenden Holztechniker Spielgeräte für einen bayerischen Kindergarten bauten, lesen Sie ab Seite 63 in dieser Ausgabe.
Schulische Ausbildungen oder ein Studium sind aber nicht für jeden das Richtige. Wer als Student früh merkt, dass das Studium nichts für ihn ist, für den ist vielleicht die klassische duale Ausbildung im Handwerk das Richtige. Vor kurzem lernte ich einen Dachdeckermeister aus Bad Driburg kennen, der früher Jura-Student war. Das Studieren lag in der Familie, der Vater war Professor für alte Geschichte. Der junge Student merkte während seines Studiums, dass das Studieren nichts für ihn war. Mit 27 Jahren brach er das Studium ab und fing eine Lehre zum Dachdecker an. In der Dachdeckerschule saß er neben deutlich jüngeren Mitschülern, was ihn aber nicht störte. Nach der erfolgreich bestandenen Gesellenprüfung machte er den Vorarbeiterschein und seinen Dachdeckermeister. Heute leitet Christoph Bonk seinen eigenen Betrieb mit 15 Mitarbeitern in Bad Driburg und kann nicht über zu wenige Lehrlinge klagen, im Gegenteil: In diesem Jahr fangen zwei junge Menschen eine Lehre als Dachdecker in seinem Betrieb an. Den Abbruch seines Studiums bereut Christoph Bonk bis heute nicht. Sein Beispiel zeigt: Wer aus einer Akademikerfamilie kommt, kann trotzdem im Handwerk Karriere machen. Ich finde, sein Beispiel sollte Schule machen!
Frohes schaffen wünscht Ihnen,
„Ein Handwerksmeister ist nicht weniger wert als ein Hochschulmaster!“