Vom Bootskiel inspiriert

Mit „Kielstegelementen“ lassen sich weitgespannte Decken und Dächer bauen, die fast ohne Stützen auskommen. Das innere Fachwerk der Elemente besteht aus Sperrholz und gibt ihnen Stabilität. Dadurch sind sie für Spannweiten bis 27 m geeignet. Hergestellt werden sie in Strängen von 35 m Länge.

Wir besuchen die Produktionshalle des Innenausstatters Baierl + Demmelhuber in Töging am Inn in Bayern: eine große, zweischiffige Halle, fast 60 m lang und 21,5 m breit. Helles Tageslicht fällt in die Halle, es kommt durch Lichtbänder, die in regelmäßigen Abständen in die Decke integriert sind. Das markante Streifenmuster der „Kielstegelemente“ fällt an der Dachuntersicht ins Auge.

Klassische Haupt- und Nebenträger gibt es an der Decke nicht. Stützen sucht man hier vergeblich. Das Dach lagert nämlich nur auf den Seitenwänden und den unterspannten Holzträgern in der Mittelachse. Möglicht machen das die über lange Spannweiten stabilen „Kielstegelemente“ mit ihrer stabilen inneren Sperrholzstruktur. Die Zug- und Druckzone der „Kielstegelemente“ wird von Gurten aus Schnittholz gebildet. Das innere Fachwerk ist so angeordnet, dass es an die Form eines Bootskiels erinnert. Daher auch der Name „Kielsteg“. Durch ihre Zellenbauweise sind die Elemente laut Hersteller besonders tragfähig. Im Technik-Handbuch der Firma Kielsteg heißt es: „Die Aufgabe der Elemente liegt nicht darin, mit anderen Dach- und Deckensystemen aus Holz in Konkurrenz zu treten, sondern mit den Stärken des Leichtbaus Neues für den Anwender zu schaffen.“

Sie sind aus keilgezinktem Vollholz der Festigkeitsklasse C24 hergestellt und erlauben große Biegespannungen in Faserlängsrichtung. Die schlanken Stege aus dreilagigem Sperrholz und OSB-Platten dienen der Schubübertragung und erlauben eine einfache Anpassung der Bauteilhöhe an die gegebene Lastsituation und Spannweite. Entlang ihrer Längskanten sind die „Kielstegelemente“ mit Fälzen versehen, das ermöglicht die Verbindung zueinander. Außerdem schützt es die Bauteilfuge im Brandfall. Die Elementbreite beträgt generell 1200 mm und die Bauteilhöhen reichen von 228 bis 800 mm. Hergestellt werden die „Kielstegelemente“ mit einer Spannweite von 6 bis
27 m in den Formen gerade und überhöht.

Für „Kielstegelemente“ bis zu einer Bauhöhe von 380 mm kommen Gurtdimensionen zum Einsatz, die zwischen 43 bis 57 x 78 bis 112 mm liegen. Als Stegmaterial dient dreilagiges Furniersperrholz mit 4,8 mm Dicke. Elemente mit Bauhöhen zwischen 485 und 800 mm weisen Gurtabmessungen zwischen 43 bis 80 x 96 bis 134 mm auf. Die Stege bestehen aus OSB-Platten mit Dicken zwischen 8 und 12 mm. Die Deckschichten der Stegplatten laufen sowohl bei Sperrholz als auch bei OSB längs zum Element. Die Stöße der Platten sind als Stumpfstöße ausgeführt, wobei das Versatzmaß zum Stoß der benachbarten Platte mindestens 800 mm beträgt.

Charakteristisches Innenleben

Gerade das innere Fachwerk hat einen starken Wiedererkennungswert unter den derzeitigen Holzleimbauprodukten. Am Beispiel der neuen Produktionsstätte des Innenausstatters Baierl + Demmelhuber in Töding konnte die Hinterschwepfinger Projekt GmbH durch das Bauen mit „Kielstegelementen“ Antworten auf Fragen der Standortplanung für mittelständische Unternehmen geben. Denn geht es nach der Hinterschwepfinger Projekt GmbH, ist heute Reaktionsschnelligkeit und Wandlungsfähigkeit von Produktionsunternehmen gefragt.

Zweischiffiges Hallenkonzept – fast 22 m Spannweite

Zurück nach Töging am Inn – bei dem Bau von Baierl + Demmelhuber wurde erstmals ein zweischiffiges Hallenkonzept mit freien Spannweiten von 21,5 m umgesetzt. Die Kielsteg-Elemente wurden mit einer Überhöhung von 7 cm hergestellt, um der Durchbiegung entgegen zu wirken, und per LKW angeliefert. Die Holzelemente sind 21,5 m lang, 73 cm hoch und 120 cm breit und wiegen jeweils 2800 kg.

So lief die Montage ab: Der Kran hob die Holzelemente mit zwei Kippbolzen-Gurten an und legte sie auf die äußeren Auflagerträger auf. Dabei stand an jedem Ende des Elementes ein Monteur auf einer Hebebühne. Er achtete darauf, dass die gefälzte Längskante in den Falz des bereits zuvor montierten Elementes eingeschoben wurde. Die Breite der Fuge wurde genau nach Verlegeplan eingestellt.

Die Mindestauflagerlänge muss für Kielstegelemente 10 cm betragen. Die Hohlkastenelemente lassen sich auf den unterschiedlichsten Auflagern wie Holz, Beton und Stahl befestigen. Die Verlegeleistung beträgt bis zu 1000 m² pro Tag.

Generell werden die Elemente mit entsprechend langen Schrauben am Auflager befestigt. Bei Elementen mit großer Bauhöhe können sie statt von oben schräg von unten durch das Brettsperrholz-Auflager ­verschraubt werden. Mit dem Verschrauben der „Kielsteg“-Konstruktion wird gezielt das Schwind- und Quellverhalten berücksichtigt, um Spannungen zu vermeiden. Die einzelnen Elemente werden konzentriert in der Elementmitte verschraubt.

Bewegliches, schubsteifes Verschraubungsprinzip

Eine horizontalstabilisierende Dachscheibe wird durch das Verschrauben mit Falzbrettern an der Elementoberkante erreicht. Durch einseitiges, links und rechts abwechselndes Verschrauben dieser Laschenplatten in den oberen Falz entsteht eine nach der Elementbreite hin bewegliche Schubverbindung.

Die einzelnen Elemente werden über ein Falzprofil entlang ihrer Längskanten zu einem vollflächigen Tragwerk zusammengelegt. Die Falzverbindung verbindet die einzelnen Elemente zu einem Tragwerk mit ästhetisch hochwertiger, gestreifter Oberfläche. Das Falzprofil verschließt die Bauteilfuge und sorgt durch das unsichtbar im Falz eingeklebte Brandfugenband für die Brandsicherheit bis REI 60. Diese Bauteilfuge muss im Sichtbereich je nach Nutzung und zu erwartendem Gebäudeklima mit einer Breite zwischen 5 mm bis 10 mm eingestellt werden.

Aufdachdämmung und bauphysikalische Robustheit

Beim Werk und Fertigungszentrum Baierl + Demmelhuber in Töging am Inn bauten die Dachdecker ein klassisches Warmdach mit bituminöser Dampfsperre, außenliegender Dämmung und mechanisch befestigtem Foliendach auf die „Kielstegelemente“. Dachkonstruktionen dieser Art zeichnen sich durch ihre bauphysikalische Robustheit aus und erlauben es, die Dachfläche zu bekiesen oder ein Gründach darauf aufzubauen.

Kielsteg ist heute ein erprobtes Holzbauelement. Die Firmen Kielsteg und Kulmer haben begonnen, in den an Österreich angrenzenden Ländern mit Direktvertriebspartnern zu arbeiten. Damit ist der Schritt auf überregionale Märkte gemacht.

Autoren
Dipl.-Ing. Andreas Trummer ist Associate Professor am Institut für Tragwerksentwurf der TU Graz.
Dipl.-Ing. Stefan Krestel ist Bau- und Möbeltischlermeister. Er entwickelte die Kielsteg-Holzelemente im Rahmen seiner Architektur-Diplomarbeit an der TU Graz.

Die Falzverbindung fügt die Elemente zu einem Tragwerk mit ästhetisch hochwertiger, gestreifter Oberfläche

OSB, Sperrholz und Fichtenholzlatten

Die Firma Kulmer im österreichischen Pischelsdorf produziert seit 2011 als erster und bisher einziger Betrieb „Kielsteg“-Elemente. Ihr jährlicher Absatz liegt bei rund 25 000 m². In einer stehenden Verpressung werden die geraden und überhöhten Elementen gebaut. Die Herstellung eines 35 m langen und 1,2 m breiten Elementes benötigt durchschnittlich 20 Minuten und wird dabei von zwei Mitarbeitern betrieben. Das Grundprinzip der Anlage beruht auf zwei parallel laufenden Arbeitsstrecken, in denen die beiden Grundmaterialien, die Stegplatten (OSB und Sperrholz) und Fichtenholzlatten, in Einzelteilen zu Strängen von bis zu 35 m gefügt und verleimt werden. Durch Übereinanderlegen der beiden Arbeitsstationen werden die beiden Stränge miteinander verbunden und in eine stehende Presse gefördert.

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