Synergieeffekte durch serielles Bauen
Standardisiert, kostenoptimiert und nachhaltigDie Materio GmbH in Soest hat sich infolge der angespannten Fachkräfte- und Materialsituation zunehmend auf die Projektentwicklung und -finanzierung sowie eine automatisierte Vorfertigung konzentriert. In einem Neubaugebiet in Lippstadt errichtete das Unternehmen 18 Wohnhäuser in serieller Holzrahmenbauweise.
Einer der zentralen Einflussfaktoren für den Holzbau ist derzeit die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Angesichts einer exorbitant guten Auftragslage ist es vor allem der Fachkräftemangel, der die Spielräume von Holzbauunternehmen begrenzt. Eine Möglichkeit, um den Mangel an ausgebildeten Fachkräften zu dämpfen, ist eine umfassende Digitalisierung und Automatisierung der Unternehmen. Diese stößt allerdings an Grenzen, wo es an Bauleitern oder Montagekräften auf der Baustelle mangelt.
Seriell mit ökologischen Materialien
Rolf Schottmüller, Geschäftsführer der Materio GmbH im nordrhein-westfälischen Soest, hat eine Antwort auf die drängende Personalfrage gefunden. Seit den 1990er Jahren ist er im Holzbau aktiv. 2014 hat er zusammen mit Geschäftspartner Johannes Berger das Unternehmen Materio gegründet. In den folgenden Jahren hat sich der Betrieb mehr und mehr auf Großprojekte spezialisiert. „Wir waren auch schon im Einfamilienhausbereich tätig, haben aber heute weder die Bauleiter noch die Berater, um diese Klientel so intensiv zu betreuen, wie wir es möchten und wie es ihr auch zusteht“, erklärt Rolf Schottmüller.
Das ist einer der Gründe, weshalb das Unternehmen mit seinen 40 Mitarbeitern heute bevorzugt als Generalunternehmer und Investor im gewerblichen und kommunalen Bereich tätig ist: „Wenn wir die Projektentwicklung in eigener Hand haben, dann können wir seriell bauen und zum Festpreis in einem engen Zeitfenster liefern – mit Kostenvorteilen durch Synergieeffekte, bewährten Subunternehmern und einem ausgereiften System aus ökologischen Baumaterialien“, erläutert Rolf Schottmüller. Der Fokus liegt dabei auf Kitas oder Bürogebäuden. Derzeit zeichnet sich als künftiges Geschäftsfeld der Bau von Wohnanlagen und Mehrfamilienhäusern ab.
Wettbewerb für Architekten & Investoren
Auch wenn sich das Unternehmen aus dem Einfamilienhausbereich mehr und mehr zurückzieht, ist es weiterhin in der Quartierentwicklung und -bebauung aktiv. Derzeit realisiert die Materio GmbH 16 Einfamilienhäuser und ein Doppelhaus im Baugebiet „Auf dem Rode“ in Lippstadt. Dabei handelt es sich um ein ehemals landwirtschaftlich genutztes Areal, das die Stadt 2017 in Bauland umgewandelt hat.
In dem Baugebiet „Auf dem Rode“ in Lippstadt entstehen derzeit 16 Einfamilienhäuser und ein Doppelhaus in Holzrahmenbauweise
Foto: Materio GmbH
Für einen kleinen Bereich dieses Areals lobte die gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft Lippstadt 2020 einen Architekten- und Investorenwettbewerb aus, an dem sich die Materio GmbH zusammen mit ihrem Kooperationspartner Rinsdorf Ströcker Architekten (RSA) beteiligte. Ziel des Wettbewerbs war es, die Teilfläche mithilfe von regionalen Unternehmen mit flächen- und energiesparenden Gebäuden zu bebauen. Dabei sollten nachhaltige, kostengünstige und flexible Gebäude mit hoher Wohnqualität entstehen.
Dass das Architekturbüro RSA und die Materio GmbH den Wettbewerb gewannen, verdanken sie nicht nur den überzeugenden Ideen des Architekturbüros, sondern auch der Holzrahmenbauweise der Wohnhäuser in dem Neubaugebiet. Holzfenster, eine Zellulosedämmung und wohngesunde Materialien beim Innenausbau gehören bei der Materio GmbH zum Standard. In Lippstadt kamen 435 mm starke Holzrahmenwände mit 260 cm Zellulosedämmung und 60 mm Holzfaserplatten, massive Brettstapeldecken und 280 mm Dachelemente plus Gefälledämmung zum Einsatz.
Jedes Haus kann durch Abtrennung des Treppenhauses in zwei übereinander liegende Wohneinheiten aufgeteilt werden, etwa in einem Alterssitz im Erdgeschoss und eine Betreuerwohnung im Obergeschoss. Energetisch erreichen die Holzrahmenkonstruktionen der Häuser dank einer gut gedämmten Außenhülle und einer Heizung mit Erdwärmepumpen den KfW 40-Standard, den Bewohnern wird als Option die Nachrüstung einer PV-Anlage angeboten.
Die Wohnhäuser wurden als standardisierte Entwürfe konzipiert und inklusive Grundstück an die künftigen Bewohner verkauft, wobei die Materio GmbH innerhalb der Kooperation als Investor und Bauträger fungierte. Das Gros der Häuser war nach der ersten Pressemeldung in kürzester Zeit verkauft, in der ersten Woche gab es bereits doppelt so viele Anfragen wie Häuser. Rolf Schottmüller sieht in der seriellen Bauweise der Häuser einen großen Vorteil, wie er erklärt: „Wenn wir Einfamilienhäuser bauen, dann so. Wir konnten dank der seriellen Bauweise viele Synergien nutzen, brauchten zum Beispiel nur eine Systemstatik, konnten Wand-, Decken- und Dachelemente kopieren und so unseren Planungsaufwand drastisch reduzieren. Auf der Baustelle sahen wir, wie die Montage mit jeder Wiederholung reibungsloser und schneller vonstatten ging.“ In der Produktion der Holzrahmenelemente ließen sich die Synergieeffekte dank Automatisierung ebenfalls gut nutzen.
Blick in die Vorfertigung bei der Materio GmbH: Für die Fertigungslinie wurde eine neue Halle errichtet
Foto: Materio GmbH
Seit 2019 fertigt das Unternehmen auf einer „Wallteq M-120“ von Weinmann, die auch für Deckenelemente geeignet ist und für die am Firmenstandort der Materio GmbH eine eigene Halle gebaut wurde. Das Einblasen der Dämmung in die Holzrahmenelemente übernimmt ein Subunternehmer auf der Baustelle.
Gesucht: Mehr Kapazität und Präzision
Investiert hatte das Holzbauunternehmen in die automatisierte Fertigungslinie unter dem Eindruck einer stark anziehenden Nachfrage, die durch die Politik begünstigt wird. „Bei den Kitas hatten wir damals schon einen derart guten Namen, dass wir immer neue Aufträge bekommen haben“, sagt Schottmüller.
Neben der Kapazitätserhöhung hatte die Unternehmensführung bei der Automatisierung auch die Steigerung der Präzision im Blick. „Man sollte sich darüber im Klaren sein, dass bei einer manuellen Produktion mit steigender Schlagzahl die Präzision sinkt: Wer hohe Stückzahlen fertigt, hat nicht ständig einen Zollstock in der Hand“, sagt Rolf Schottmüller.
Die Zimmermeisterbrücke „Wallteq M-120“ von Weinmann im Einsatz bei der Materio GmbH. Bei Bedarf ist sie auch für die Produktion von Deckenelementen einsetzbar
Foto: Materio GmbH
Die Personalsituation war ein wichtiges Argument für die Automatisierung. Heute ist mit einem Mitarbeiter und einem Lehrling ein deutlich schnellerer Workflow möglich als früher mit mehr Manpower und einer manuellen Produktion. „Mit der ‚Wallteq M-120‘ fertigen wir innerhalb einer Woche die Wände für ein Haus“, sagt Schottmüller.
Mit der „Wallteq M-120“ werden bei der Materio GmbH innerhalb einer Woche die Wände für ein Wohnhaus vorgefertigt
Foto: Materio GmbH
Bei der Suche nach der passenden Technik gab es zum Maschinenbauer Weinmann für die Materio GmbH keine wirkliche Alternative „Schon nach einer ersten Einarbeitung in die Materie war Weinmann für uns weit vorne. Als uns dann noch befreundete Zimmerer aus einem anderen Betrieb zu dieser Technik rieten, war die Entscheidung klar“, sagt Rolf Schottmüller. Die „Wallteq M-120“ ist für kleinere Betriebe als Einstiegslösung im Bereich der Multifunktionsbrücken gut geeignet. „Die Maschine ist bei uns sehr gut ausgelastet und reicht bestens für unsere Zwecke, da wir bevorzugt Gebäude mit Holzfassaden produzieren“, sagt Schottmüller.
Holzfassade eines fertiggestellten Wohnhauses im Neubaugebiet „Auf dem Rode“ in Lippstadt
Foto: Materio GmbH
Pläne für die Zukunft
Sollte die Nachfrage nach WDVS wider Erwarten stark zunehmen, könnte in Soest ein Upgrade auf eine größere „Wallteq“-Anlage auf der Agenda stehen, wie Rolf Schottmüller erklärt: „Wenn viel WDVS über 40 mm verarbeitet wird, empfiehlt sich ein zusätzliches Sägeaggregat und damit ein Wechsel auf eine größere Multifunktionsbrücke, zum Beispiel auf die ‚Wallteq M-380‘.“ Vielleicht folgt dann aber auch das nächste, innovative Geschäftsmodell. Zumindest kann sich Geschäftsführer Rolf Schottmüller aus heutiger Sicht für diesen Fall vorstellen, bestehende Kooperationen mit befreundeten Zimmereien auszuweiten: „Dann würden unsere Partner einen Teil der Wände produzieren, während die große Masse nach wie vor über unsere Fertigungslinie läuft. Die Zimmerer könnten uns außerdem in der angespannten Personalsituation bei der Montage entlasten, während wir unsere Aktivitäten noch weiter in Richtung Projektentwicklung, Planung, Generalunternehmer- und Investorentätigkeit entwickeln.“ Die Ideen werden Rolf Schottmüller jedenfalls nicht so schnell ausgehen.
Autor
Dr. Joachim Mohr betreibt das Redaktionsbüro Presse für Profis in Tübingen und unterstützt das Unternehmen Weinmann bei der Pressearbeit.
Bautafel (Auswahl)
Projekt Bau von 16 Einfamilienhäusern und einem Doppelhaus im Baugebiet „Auf dem Rode“ in Lippstadt
Projektentwicklung und Holzbau Materio GmbH, Soest, www.materio.de
Architekturbüro Rinsdorf Ströcker Architekten, Lippstadt, www.rsarchitekten.com
Vorfertigungsanlage „Wallteq M-120“, Weinmann Holzbausystemtechnik, www.homag.com/weinmann