Neues Dach für Wien

Beeindruckende Stahlkonstruktion überspannt Hauptbahnhof

Paris hat den Eiffelturm, New York die Freiheitsstatue – und Wien? Die Donaustadt wird künftig Zugreisende mit einem beeindruckenden Stahldach empfangen. Die par­tiell transluzente Dachkonstruktion überspannt alle fünf Bahnsteige;
auch deutsches Know-how ist mit im Spiel.

Der neue Durchgangsbahnhof beeindruckt die Architekturszene mit seiner einzigartigen Dachkonstruktion. Die 14 rautenförmige Bahnsteigdächer scheinen über den Bahngleisen zu schweben. Aus der Ferne wirken sie filigran und leicht wie Papierdrachen. Die tragende Stahlkonstruktion liefert die Unger Steel Group. Für die Realisierung der Dacheindeckung sind die Zambelli Dach- und Fassadentechnik als Projektpartner im Boot. Das imposante Konzept der Architektengruppe umzusetzen, war eine große Herausforderung für den konstruktiven Stahlbau. Galt es doch 31 000 m² Rautendach aus Stahl auf Stähle zu setzen. Die Philosophie des Architekten Albert Wimmer, Architektur müsse zur Schaffung einer offenen Gesellschaft beitragen, ist im Bauwerk abzulesen. Das Ineinandergleiten der Dachflächen – die rhythmische Auffaltung des Daches – und die Aufgabe, ein Dach über dem Kopf zu haben und gleichzeitig Offenheit zu erleben, ist ihm mit dieser speziellen Form gelungen.

Beeindruckende Ausmaße

Die fünf parallel zueinander liegenden Rautendächer beginnen versetzt und ziehen sich bis zu einer Länge von 455 m an den Bahnsteigkanten für den Fernverkehr entlang. Jedes der 14 Rautensegmente ist 76 m lang. Das gesamte Rautendach wird nach der Fertigstellung eine Breite von etwa 120 m haben und 210 m lang sein.

Die Montage war eine logistische Großunternehmung: Um eine Raute in rund 15 m Höhe über die Inselbahnsteige, Plattformen und Gleise zu spannen, wurden zunächst zwei Stützrahmen (zu je 55 t) im Abstand von 38 m montiert. Diese überdimensionalen Bauteile wurden  „just in time“ über Nacht auf die Großbaustelle gebracht. Danach wurden die Dachhaut, das Brandschutzschild und schließlich die Alucobondverkleidung montiert. Zuletzt wurden die Verglasung des Scheitels der Raute und die Verglasung der Seitenfassaden vorgenommen.

Unter dem Dach liegt zukünftig der Mittelpunkt des Bahnhofes. Die Bahnhofshalle wird 120 m lang werden, bis zu 35 m breit und 10 m hoch. Sie ist Teil des 20 000 m2 großen, zweigeschossigen Einkaufs- und Dienstleistungszentrums und wird durch die großen Oberlichter in den Rautendächern während des Tages beleuchtet.

Dach wurde als Warmdach geplant

Die Rautendächer schützen die Reisenden zukünftig vor Sonne und Niederschlag; durch die Oberlichter fällt Licht und schafft so für die Reisenden eine angenehme Atmosphäre. Als Dachaufbau wurde ein Warmdach mit Dampfsperre und 50 mm dicker, trittfester Wärmedämmung gewählt. Es soll das bei Kaltdächern auftretende Kondensat verhindern.

Zwischen der von unten sichtbaren Aluminiumverkleidung und der Dachhülle ist ein großer Hohlraum, in dem Kondenswasser hochsteigen kann. Als Dampfsperre wurde eine selbstklebende Bitumenbahn mit Alueinlage verwendet.

Die Dachkonstruktion ist anspruchsvoll: Kein einziges Bauteil ist waagerecht ausgerichtet. Bei den Rautendächern verlaufen die Profilbahnen von der Dachmitte im 45-Grad-Winkel zur Traufe. Alle Profilbahnenden werden schräg zugeschnitten. Im Zentrum, das gleichzeitig der höchste Punkt der Raute ist, öffnet sich das Metalldach zu einem kristallförmigen Oberlicht. Die gesamte Dachkonstruktion verjüngt sich am Ende zu schmalen, langen Flachdächern. Die insgesamt 31 000 m2 große Fläche wurde mit dem Metalldachsystem Rib-Roof Speed 500 eingedeckt.

Schneller Montageablauf mit ausgereiftem System

Das industriell vorgefertigte Falzprofildach beweist sich bei diesem Megaprojekt als funktionell zuverlässiges und sicheres Bauprodukt. Die Basis dafür bilden die einfache Montagetechnik und das durchdachte Haltesystem. So kommen beim Hauptbahnhof drei Meter lange Clipleisten zum Einsatz, die werksseitig sechs Halteclips im optimalen Abstand tragen und einen schnellen Montageablauf ermöglichen: Zunächst wurde die Dampfsperre ausgelegt, danach brachten die Handwerker darauf die Wärmedämmung an, danach wurden die Clipleisten angeschraubt und schließlich die Profilbahnen nach und nach eingehängt. Eine dauerhafte Profilbahnverbindung wird mittels Kraftschluss hergestellt, das maschinelle Verbördeln ist nicht nötig. Die Rib-Roof-Profilgeometrie gibt festen Halt und erhält die Gleitfähigkeit der großen Scharenlängen. Die Halteclips reduzieren durch ihre geringe Höhe die Hebelwirkung auf die Dachhaut.

Zusätzliche Photovoltaikanlage wird installiert

Alle Profilbahnen, Anschlüsse, Attikaabdeckungen und innenliegenden Rinnen wurden passgenau gefertigt und angeliefert. Als Material wählten die Planer stucco-matt patiniertes 1,0 mm Aluminium, das elegant wirkt und einen zuverlässigen Korrosionsschutz bietet. Vier der Flachdächer erhalten eine 1200 m2 große Photovoltaikanlage. Die Kollektoren werden mit Rib-Roof-Solarhaltern auf den Einzeldächern angebracht. Die Solarhalter werden nachträglich durchdringungsfrei auf den Profilbahnstegen des Daches montiert. Drei Flachdächer sind bereits mit den Modulen ausgestattet worden. Das letzte Dach ist noch in Arbeit.

Entwässerung

Die Rautendächer haben ein Gefälle von 8,5 Grad, die auslaufenden Flachdächer noch ein geringeres Gefälle. Die Entwässerung des Rautendachs erfolgt durch eine Druckstromentwässerung, die Rinnen sind teilweise beheizt, um gegen Frost sicher zu sein.

Jede Menge Stahl

Um die Dimensionen des Stahlbauwerks besser fassen zu können, sollen hier die Zahlen sprechen: Für die 14 Rauten und fünf Einzelbahnsteige sowie die Piazzaüberdachung wurden insgesamt 338 380 Schrauben, 286 220 Bleche und 57 213 Profile verwendet. Daraus ergeben sich laut Projektleitung 70 135 lose und 21 065 geschweißte Bauteile. Für die Planungsgruppe der Unger Steel Group steckte in jeder einzelnen Raute 7000 Stunden Arbeit. Allein für die Montage einer einzelnen Raute wurden rund 15 000 Schrauben mit einem Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen verwendet. Die gesamte Stahlkonstruktion wiegt übrigens rund 7000 Tonnen.

Die international tätige Unger Steel Group, die die Dachkonstruktion dem Bauherren als umfassendes Gesamtpaket anbot, und Zambelli können den vor­gegebenen Zeitplan ein­halten. 35 Planer und Konstrukteure der Unger Gruppe kreierten aus der Vision der Architekten die Stahlkonstruktionen, die alle bautechnischen Anforderungen erfüllen. Zambelli ist je nach Bauphase mit bis zu 16 Mitarbeitern in Wien. Da die Profilbahnen lediglich 15 m lang sind, erfolgt keine Baustellenprofilierung, sondern es wird alles im RIB-ROOF Werk im bayerischen Stephansposching vorgefertigt und im ­Anschluss mit dem Lkw nach Wien transportiert. Zambelli hat allerdings eine elektrische 6-Meter-Abkantbank mit Längs- und Querteilanlage für die Anschlussbleche vor Ort.

Im Dezember 2012 ging ein Teil des Wiener Hauptbahnhofes in Betrieb. Der Durchgangsbahnhof wird nach seiner Fertigstellung 2014 erstmals in der Geschichte der Stadt alle Züge aus allen Himmelsrichtungen zusammenführen.

Autoren

Wilhelm Friedl ist Geschäftsführer der Zambelli RIB-ROOF GmbH & Co. KG und Projektleiter bei der Bahnhofsbaustelle in Wien.

Rüdiger Sinn ist verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift dach+holzbau.

Bei der beeindruckenden Konstruktion wurden 7000 Tonnen Stahl verbaut

Alle Profilbahnen, Anschlüsse und Attikaabdeckungen wurden passgenau gefertigt und angeliefert

Neuer Verkehrsknoten unter beeindruckendem Dach

Die Österreichische Bundesbahn (ÖBB) erwartet zukünftig rund 1000 Züge und 145 000 Menschen pro Tag am neuen Verkehrsknoten in Wien. Seit dem 12. Dezember 2012 – dem Tag der Teileröffnung des Bahnhofes – steigen die ersten Reisenden unter der beeindruckenden Dachkonstruk­tion aus und um. Bis Ende 2014 sollen die Bauarbeiten am Hauptbahnhof ­abgeschlossen sein.

Der Baufortschritt kann auf der ­Website www.hauptbahnhof-wien.at über eine Webcam ­verfolgt werden.

Bautafel (Auswahl)

Projekt Dachkonstruktion des Wiener Hauptbahnhofs

Bauherrin ÖBB Infrastruktur AG, Wien

Architekten Theo Hotz AG Architekten (Zürich), Prof. Dipl. Ing. Ernst Hoffmann ZT-GmbH (Wien) und Albert Wimmer ZT-GmbH (Wien)

Generalunternehmen/Stahlbau Unger Steel Group, Oberwart, Österreich

Dachaufbau Zambelli RIB-ROOF GmbH & Co. KG

Web-Service:

www.bauhandwerk.de

Im Internet finden Sie weitere Fotos vom Bau des Wiener Hauptbahnhofs. Geben Sie hierzu bitte den Webcode in die Suchleiste ein.



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