Holzbauprojekt mit Modellcharakter

Velux Living Places: Pilotprojekt entsteht in Kopenhagen

Das Projekt „Living Places“ in Kopenhagen soll zeigen, wie sich Wohngebäude mit einem geringeren CO2-Fußabdruck und einem besseren Innenraumklima im Vergleich zum Marktstandard bauen lassen. Dabei wurden sieben Gebäude in Holzbauweise errichtet, die als Vorbilder für weitere Bauprojekte dienen sollen.

Auf dem Gelände eines stillgelegten Güterbahnhofs in Kopenhagen wurden im Rahmen des Projekts „Living Places“ sieben Gebäude in Holzbauweise errichtet. Fünf der Gebäude werden als Pavillons für Ausstellungen und Veranstaltungen genutzt, zwei sind zur Nutzung fertig eingerichtete Wohnhäuser. Die Häuser mit Steildächern sind in unterschiedliche Himmelsrichtungen ausgerichtet. Die beiden Wohnhäuser bestehen jeweils aus einem Wohn- und Essbereich im Erdgeschoss, drei Zimmern im zweiten und einer offenen Galerie im dritten Stock. Durch ihre hohen Decken und großen Oberlichter wirken die Gebäude mit einer Wohnfläche von jeweils 147 m² sehr geräumig. Alle Baustoffe für den Neubau der Häuser wurden im Hinblick auf ihre Kosten, das Innenraumklima und den CO2-Fußabdruck optimiert, mit besonderem Fokus auf die Gebäudehülle, bei der erhebliche CO2-Einsparungen möglich sind.

Übertragbares Konzept

Mit dem Neubau der „Living-Places“-Gebäude in Kopenhagen will der Hersteller Velux gemeinsam mit den Architekturbüros Effekt architects und artelia engineers zeigen, dass es möglich ist, mit heute verfügbaren Techniken und Materialien Wohnhäuser mit einem sehr geringen CO2-Fußabdruck zu errichten. Das architektonische Konzept der Häuser basiert auf einer kompletten „Life Cycle“-Analyse und folgt fünf Grundprinzipien: Gebäude sollen demnach gesund für Mensch und Umwelt, einfach, anpassungsfähig und skalierbar sein sowie gemeinsam genutzt werden können. Das „Living Places“-Konzept soll sich auf jedes Haus, jede Gemeinde oder Stadt übertragen lassen – sowohl auf neue Ein- und Mehrfamilienhäuser als auch auf bestehende Gebäude.

Baustoffe mit niedriger CO2-Bilanz

Der CO2-Fußabdruck der Modellhäuser in Kopenhagen beträgt 3,8 kg CO2 pro Quadratmeter und Jahr und ist damit fast dreimal geringer als der eines typischen, dänischen Einfamilienhauses (11,1 kg COpro m² im Jahr). Erreicht wird das vor allem durch die Verwendung von Baustoffen mit niedriger CO2-Bilanz und die Nutzung erneuerbarer Energiequellen.

Der Baustoff Holz spielte beim Neubau der Häuser eine entscheidende Rolle: Die Außen- und Innenwände sowie die Dächer der „Living Places“-Gebäude sind in Holzbauweise gebaut, dadurch speichern sie während ihrer gesamten Lebensdauer Kohlenstoff. Dabei wurden die sieben Gebäude in zwei unterschiedlichen Bauweisen geplant und errichtet: in Holzrahmen- und in Brettsperrholzbauweise. Die Pfosten, Riegel und Schwellen der Häuser in Holzrahmenbauweise bestehen dabei aus Kiefernholz. Gedämmt wurden die Wand-, Dach- und Bodenelemente der Häuser in Holzrahmenbauweise mit einer Zelluloseeinblasdämmung.

Fichtenholz an der Fassade

Der Werkstoff Holz wurde auch für die Verkleidung der Außenwände der beiden Wohnhäuser genutzt: Die Häuser sind mit einer unbehandelten Fichtenholzschalung verkleidet, die auf einer Konter- und Traglattung montiert wurde. Diese Lattung wurde, getrennt durch eine Fassadenbahn, auf dem Holztragwerk der Häuser befestigt. Innenseitig verkleidete man die Holzrahmenelemente der Wände mit OSB-Platten, den Abschluss zur Raumseite bilden Gipsfaserplatten. Die Innenwände der Wohnhäuser bestehen, je nach Bauweise, aus Holzrahmenelementen mit einer beidseitigen Beplankung aus Gipsfaserplatten oder sind als unverkleidete Brettsperrholzwände ausgeführt.

Die Nutzung erneuerbarer Energiequellen unterstützt den nachhaltigen und umweltfreundlichen Ansatz des Projekts. Die Ausstattung der Gebäude mit Solarzellen von Sunpower deckt einen Großteil des Energiebedarfs. Durch eine Wärmepumpe wird zudem die in der Außenluft enthaltene Wärme zur Erwärmung des Heizwassers und zur Warmwasserbereitung in den Häusern genutzt.

Natürliche Lüftung verbessert Raumklima

Großzügige Fenster in den Außenwänden und Dächern der Häuser ermöglichen den Einfall von natürlichem Tageslicht. Gleichzeitig sollte die Fensterplanung ein möglichst gesundes Raumklima sicherstellen: So sorgt eine große Velux-Lichtlösung über der Küche für gute Luft beim Kochen. Die Dachfenster in der obersten Etage sind so angeordnet, dass man sie zum Querlüften nutzen kann. Beim Öffnen erzeugen sie einen „Kamineffekt“, bei dem die warme Luft nach oben steigt und durch die geöffneten Fenster entweichen kann. Die Kombination aus mechanischer Belüftung und natürlicher Querlüftung im Obergeschoss sorgt das ganze Jahr über für ein gesundes Raumklima. Ein zentrales Lüftungssystem wird daher nicht benötigt.

Um Überhitzung und schlechte Raumluft zu vermeiden, sind sowohl die Dachfenster als auch die mechanische Lüftung mit Sensoren verbunden, die nach Bedarf automatisch die Fenster öffnen, die Jalousien aktivieren oder den Luftstrom erhöhen. Durch gezieltes Lüften wird außerdem die Nachtkühlung genutzt. Das passive Kühlsystem in den Häusern kommt ohne zusätzlichen Energieaufwand aus und trägt so vor allem im Sommer zu einem besseren Raumklima bei. Auch bei der Inneneinrichtung der Modellhäuser wurde auf Nachhaltigkeit wertgelegt. Dabei kamen Möbel und Textilien zum Einsatz, die sich durch die Verwendung natürlicher oder recycelter Materialien sowie durch eine lokale Produktion auszeichnen.

Baukosten entsprechen lokalem Marktstandard

Die Baukosten für das Projekt „Living Places“ liegen mit etwa 2000 Euro pro Quadratmeter auf dem Niveau ähnlicher Neubauprojekte für den dänischen Markt. Der dänische Marktstandard für den Neubau vergleichbarer Häuser liegt derzeit bei etwa 1900 bis 2100 Euro pro Quadratmeter. Obwohl der Preis stark von den Kosten der gewählten Baukomponenten und dem Standort abhängt und variieren kann, zeigt das Projekt, dass es trotz der umweltfreundlichen Bauweise im Vergleich zum dänischen Marktstandard wettbewerbsfähig ist.

Die „Living Places“-Gebäude in Kopenhagen können besichtigt werden und sind (vorerst bis September 2024) öffentlich zugänglich. Mehr Informationen zum Projekt und zum „Living Places“-Konzept finden Sie online unter www.livingplaces.velux.com.

 

Autor

Maik Seete ist Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für die Region Nordeuropa bei Velux.

Weiteres Projekt in den Niederlanden

Ein wesentlicher Bestandteil des „Living Places“-Projekts besteht darin, das Konzept auch auf andere Orte in Europa auszuweiten. Im Oktober 2023 wurde daher eine Partnervereinbarung zwischen der Velux-Gruppe und dem niederländischen Unternehmen Bouwgroep Dijkstra Draisma getroffen. Das Bauunternehmen möchte die Art und Weise, wie Häuser in den Niederlanden gebaut werden, nachhaltiger gestalten. Mit dieser Ambition wurde bereits ein Fachwerkhaus entwickelt, das mit biobasierten Materialien wie Rohrkolben, Chinaschilf, Hanf und Flachs gedämmt ist. Das Konzept der „Living Places“-Häuser will die niederländische Baufirma nun zum ersten Mal im Rahmen ihrer Entwicklungs- und Bauprozesse umsetzen und einen maßstabsgetreuen Prototypen im nördlichen Teil der Niederlande bauen.

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