„Holz ist ein idealer Baustoff für Schulklassen“

Professor Maximilian Moser untersuchte Schülerinnen und Schüler in ­unterschiedlichen Klassenzimmern. Eines war mit unbehandeltem Massivholz ausstaffiert, das andere konventio­nell mit Spanplatten und Gipskartonplatten usw. Das Holzklassenzimmer schnitt überdurchschnittlich gut ab.

Interview: Rüdiger Sinn

Herr Moser, Sie haben herausgefunden, dass sich Holz positiv auf unsere Gesundheit auswirkt. Wie kamen Sie überhaupt auf die Idee, dass Holz eine solche Wirkung haben könnte?

Im Jahr 1988 wurde ich als damals ­junger Wissenschaftler eingeladen, am geplanten österreichisch-russischen, medizinischen Weltraumprogramm teilzunehmen. In weiterer Folge haben wir Messgeräte für die Raumstation MIR entwickelt, die den Gesundheitszustand und die Schlafqualität der Kosmonauten bestimmten. Auf der Suche nach optimalen Gehäusen für die physiologischen Sensoren sind wir erstmalig auf Holz gestoßen, das am Körper bessere Tra­geeigenschaften im Vergleich zu Kunststoffen oder Metallen gezeigt hat.

2003 kam dann die Tiroler Forstwirtschaftskammer auf uns zu und fragte an, ob wir die im Weltraum durchgeführten Schlafmessungen auch in Zirbenbetten machen könnten, da in der Volksmeinung der Schlaf im Zirbenbett besonders erholsam sein soll. Obwohl wir darauf hingewiesen haben, dass bei wissenschaftlichen Messungen nie vorauszusagen ist, wie das Ergebnis aussieht, haben die Tiroler ein Forschungsprojekt beauftragt, das Vergleichsmessungen zwischen Spanplatten- und Zirbenholzbetten untersucht hat – mit eindeutigem Vorteil für die Zirbenholzbetten.

Dann gab es einen Langzeitversuch an einer Österreichischen Schule über die Wirkung von Nadelholz. Wie kam das und wie war der Versuch aufgebaut?

Einige Projekte später haben wir dann eine Einladung erhalten, in einer Dorfschule im Haus im Ennstal Messungen in zwei neu ausgebauten Massivholzklassen und im Vergleich dazu, in zwei neu konventionell ausgebauten Klassenzimmern zu machen. Die Schüler trugen im Verlauf des Schuljahres Messgeräte, mit denen wir hochpräzise die Herzschlagvariabilität und damit das vegetative Nervensystem messen konnten.

Wie muss man sich die „Holzklasse“ vorstellen? Auf einem Bild sieht man viel sichtbares Holz, gibt es auch ­Fenster? Welche Wirkung hat der Raumaufbau, das Licht und die Tatsache, dass das Holz unbehandelt ist?

In den beiden Holzklassen war viel Massivholz verbaut: als Wand und Deckenmaterial unbehandelte Fichte und Tanne, als Fußboden geölte Eiche. Viel Licht kam durch Holzfenster an der Seitenwand der Klasse. Die Klassenkästen waren aus Zirbenholz gefertigt. Wir sind sicher, dass das unbehandelte Holz physiologisch die günstigste Variante darstellt, da es den ätherischen Ölen des Holzes freien Zugang zum Innenraum ermöglicht und auch die klimatisierende Wirkung des Holzes optimal genutzt werden kann.

Hatte die Holzumgebung auch noch ­andere positive Wirkungen als die ­Senkung der Herzrate? Stichwort ­„gestresste Schüler“?

Die Wirkung der Holzklasse baute sich im Laufe des Schuljahres langsam auf: Während in den konventionellen Klassenzimmern die Herzfrequenz immer mehr anstieg, war in den beiden Holzklassen sogar ein Abfall gegenüber den Ferien zu beobachten. Medizinisch weiß man aus neueren Studien, dass eine niedrige Herzfrequenz zum Beispiel bei Kindern und Jugendlichen Bluthochdruck vorbeugt und bei Erwachsenen mittleren Alters die Sterblichkeit signifikant senkt. Parallel dazu beobachteten wir im Laufe des Schuljahres einen Anstieg des Vagustonus, allerdings wieder nur in den beiden Holzklassen, in den konventionellen Klassen sank der Vagustonus. Der Vagus ist jener Nerv, der bei Erholungsvorgängen aktiviert wird und für die Steuerung und Löschung von Entzündungsvorgängen von großer Bedeutung ist. Beide Beobachtungen sprechen dafür, dass Holz ein idealer Baustoff für Schulklassen ist.

Psychologisch konnten wir beobachten, dass die Schüler in den Massivholzklassen weniger gestresst – von den Lehrern – waren als in den konventionellen Klassen. Auch hier war der ­Unterschied sig-nifikant.

Eigentlich spricht ja alles für die „Holzklasse“, aber der Bericht sagt auch, dass sich die schulischen Leistungen im Vergleich mit der konventionellen Klasse nicht verändert haben, wie kommt das?

Offensichtlich haben die Schüler in allen vier Klassen ihr Leistungsmaximum erbracht, so dass eine weitere Steigerung nicht möglich war. Ein gesunder Schüler benötigt sehr viel Regenerationszeit, damit er das körperliche Wachstum und die Umstellungen während der Pubertät gut bewältigen kann. Es ist daher aus gesundheitlicher Sicht fraglich, ob man von Kindern und Jugendlichen so hohe intellektuelle Leistungen abverlangen soll, wie wir das in unseren heutigen Schulen tun. Was wir jedoch mit Sicherheit sagen können: Die Schüler in den Massivholzklassen mussten für dieselben Leistungen einen geringeren biologischen Aufwand erbringen, ein gesundheitlich sicher erwünschter Effekt.

Was bewirkt eigentlich die Senkung der Herzrate genau. Kann man davon ausgehen, dass unser Herz eine gewisse Lebensdauer (Schlagdauer) hat und leben wir also länger, wenn unser Herz langsamer schlägt?

Im Tierreich kann man tatsächlich beobachten dass die meisten Säugetiere etwa eine Milliarde Herzschläge lang ­leben. Bei Menschen sind es, durch die Errungenschaften der Hygiene und die ausreichende Ernährung derzeit etwa zwei Milliarden Herzschläge. Auch das Herz muss im Körper ständig mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden, was nur in der Zeit passiert, wenn es entspannt ist (Diastole). Gerade diese Entspannungszeit verkürzt sich, wenn das Herz schneller schlägt. Dadurch wird es weniger versorgt und ist stärker beansprucht.

Sie wissen nun, dass sich das Wohnen oder der Aufenthalt in einer Holzumgebung positiv auswirkt, aber warum ist das so?

Wahrscheinlich wirken hier viele Faktoren positiv zusammen: Bereits seit Urzeiten ist Holz ein Material, mit dem Menschen gebaut, Werkzeuge angefertigt und in Wäldern gelebt haben. Es ist uns also zutiefst vertraut, wie ein Kindermärchen oder die Stimme der Mutter. Nadelhölzer enthalten darüber ­hinaus ätherische Öle, die beruhigend aber nicht einschläfernd, stimmungsaufhellend und desinfizierend wirken. Dazu kommt noch die angenehme Akustik von holzverkleideten Räumen – nicht umsonst verwendet man ja Fichtenholz in Resonanzböden von Klavier, Geige und Cello. Schließlich haben Untersuchungen der Technischen Hochschule in München gezeigt, dass Holz eine erstaunlich abschirmende Wirkung für Mikrowellenstrahlung hat und damit eine für den Menschen möglicherweise schädliche Form des Elektrosmogs fernhält.

Gibt es Schlüsse oder Forderungen, die Ihr Institut nach der Untersuchung formuliert hat? Oder gibt es Empfehlungen für die Schulbehörden? 

Unsere Empfehlungen sind in Verordnungen einiger österreichischer Landes­regierungen eingegangen, die nun den verstärkten Einsatz von Holz in öffent­lichen Bauten fordern.

Was bedeutet das für das Bauen ganz allgemein. Was empfehlen Sie den Architekten, ­Planern und Holzbauern?

Holz ist nicht nur aus gesundheitlichen Gründen ein optimaler Baustoff. Insbesondere die Verwendung von Massivholz beugt Schimmelbildung vor, klimatisiert Häuser optimal, ermöglicht passive Klimatechnik und bindet als einziger Baustoff Kohlendioxyd im Laufe seines biologischen Wachstums, so dass während der gesamten Nutzungsdauer ein bisschen weniger Klimawandel ermöglicht wird. Wenn das Holz nicht chemisch behandelt und nicht durch zu viel Leim zerschnitten wird, kann es am Ende seiner Nutzungsdauer unter Wärmeabgabe der Atmosphäre wieder zugeführt werden und neue Bäume düngen. Eigentlich sollten Architekten alles unternehmen, um so viel wie möglich an Holz in moderne Bauten zu integrieren. Gestalterische Kreativität sollte auch neue ­Formensprachen im Umgang mit Holz schaffen, die seine optimalen Eigenschaften noch besser zur Geltung ­kommen lässt.

Herr Moser, vielen Dank für dieses ­Gespräch!

Buchtipp: Die sanfte Medizin der Bäume

Holzexperte und Bestsellerautor Erwin Thoma ist sich sicher: Bäume lassen jeden von uns gesünder und länger leben. Noch vor einigen Jahren galt die Heilkraft des Holzes als Volksmeinung, inzwischen wurde ihr großer Nutzen auch von der Medizinforschung wissenschaftlich bestätigt. In seinem neuen Buch „Die sanfte Medizin der Bäume. Gesund leben mit altem und neuem Wissen“ beschreibt Thoma gemeinsam mit Maximilian Moser die erstaunliche Wirkung von Holz: Holz ist beispielsweise hygienischer als Glas, Metall und Plastik – Bakterien sterben dort schneller ab, Flüssigkeiten verdunsten schneller.

Das Buch macht auf die wiederentdeckten Kräfte der Natur aufmerksam und hilft, sie in unser Leben zurückzubringen: Welches Holz beeinflusst den Organismus positiv? Wie stärke ich meine Abwehrkräfte mit selbst gemachten Naturheilmitteln? Was kann ich tun, um wieder besser zu schlafen? Woher bekomme ich gutes Holz und wie baue ich ein Haus, das zur Gesundheitsquelle der ganzen Familie wird? Antworten darauf liefert das Buch genauso wie inspirierende Texte zu den Bäumen und der Natur. 

Maximilian Moser, Erwin Thoma: Die sanfte Medizin der Bäume, Servus Verlag, Salzburg 2014.

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