Fachkongress Absturzsicherheit 2018

Der 3. Fachkongress für Absturzsicherheit in Bonn zeigte das Thema aus der Sicht aller Baubeteiligten

Fast 230 Besucher kamen zum Fachkongress für Absturzsicherheit im November nach Bonn. Dieses Jahr fand der Kongress im Kameha Grand Hotel statt. Am ersten Tag ging es um die Absturzsicherheit aus der Sicht von Planern, Architekten, Ingenieuren und Gebäudebetreibern. Der zweite Tag behandelte die Absturzsicherheit im Hochbau, Brückenbau, Dach- und Holzbau und zeigte die aktuelle Rechtslage im Umgang mit PSAgA. Im Tagungsbereich des Hotels war ein Holzhaus aufgebaut, an dem Teilnehmer Dachrandgeländer, Gerüste, Firstschienen, Fangnetze, Anschlagpunkte und weitere Produkte und Systeme zur Absturzsicherheit ausprobieren durften.

37,5 Prozent aller Arbeitsunfälle lassen sich auf Abstürze zurückführen, allein 2017 starben 88 Personen nach einem solchen Absturzunfall – diese Zahlen präsentierte Burkhard Fröhlich, ehemaliger Chefredakteur der DBZ DeutscheBauZeitschrift, in seinem Einstiegsvortrag. Daher müsse das Thema Absturzsicherheit stärker im Fokus aller Baubeteiligter stehen.

Dachstühle richten ohne Abstürze

Wie sich Abstürze beim Richten von Dachstühlen vermeiden lassen, zeigte Stephan Hielscher in seinem Vortrag, er ist Fachbereichsmeister für Holzbau am Berufsförderungswerk der südbadischen Bauwirtschaft. Beim Verlegen der Kehlbalkenlage etwa arbeiten Zimmerer oft ungesichert. Eine Lösung sei hier, die Kehlbalkenlage von unten zu verlegen, etwa mithilfe einer Leiter. Noch sicherer sei es, die fertig beplankte Kehlbalkenlage am Boden vorzumontieren und per Kran einzuheben.

„Der Vortrag zum sicheren Richten hat mir gut gefallen“, sagt Volker Höhn, Geschäftsführer eines Holzbaubetriebs mit Schwerpunkt Holzrahmenbau. Das Thema Sicherheit müsse in allen Betrieben gelebt werden, damit sich die Unfallzahlen verringerten, so Höhn. Doch es gebe auch Grenzen: „Ganz ausschließen können wir die Absturzgefahr nie, trotz aller Sicherungsmaßnahmen bleibt ein Restrisiko!“ Mark Möller, Betriebsleiter bei Möller Bedachungen im hessichen Glauburg, war ebenfalls auf dem Fachkongress zu Gast. „Absturzsicherung ist Pflicht und daher benutzen unsere Mitarbeiter sie im Alltag auch. Vor allem dann, wenn wir in Bereichen mit hohen Sicherheitsanforderungen arbeiten, etwa im Industriepark Frankfurt-Höchst“, sagt Möller. In der Ausstellung zum Kongress entdeckte Möller praktische Produkte wie die Leiterkopfsicherung (LeiKoSi), mit der Leitern an der Attika oder in der Regenrinne befestigt und so gegen Umfallen gesichert werden. „Spannend finde ich auch den „Fallbag“ von Bornack, eine Schutzweste, in die ein Luftkissen eingearbeitet ist, dass sich bei Stürzen aufbläst“, sagt Möller. Das Luftkissen aus reißfestem Material schützt vor Verletzungen beim Aufprall auf dem Boden.  

Mitarbeiter für das Thema begeistern

Wie man seine Mitarbeiter für die Arbeit mit Absturzsicherung begeistert, zeigte Dachdecker- und Zimmerermeister Eugen Penner vom ZEP-Team aus Bielefeld. Im Dialog mit dach+holzbau-Redakteur Stephan Thomas bot er einen Einblick in die Arbeit mit Absturzsicherung, die in seinem Betrieb dazugehört und gelebt wird. Als Geschäftsführer sei er für die Sicherheit seiner Mitarbeiter verantwortlich, besuche mit ihnen Schulungen und stelle ihnen die entsprechende Sichereheitsausrüstung zur Verfügung. Dabei komme es auch auf das Aussehen der Absturzsicherung an – denn nur was bei jungen Mitarbeitern gut ankomme, werde auch getragen. „Fachkräfte sind wertvoll und müssen vor Absturzunfällen geschützt werden“, brachte es Eugen Penner auf den Punkt.

Unfall bei Arbeit an Windkraftanlage

Welche Folgen ein Absturzunfall haben kann, zeigte der Erlebnisbericht des Industriekletterers Lion Becker aus Berlin. Im Sommer 2017 arbeitete er an einem Rotorblatt in etwa 75 m Höhe. Das Windrad war für die Arbeit abgeschaltet, jedoch schaltete einer seiner Kollegen zu früh den Rotor wieder an. Das Rotorblatt, an dem Becker hing, fing an sich zu drehen. Der Industriekletterer löste eines seiner Verbindungsseile vom Rotorblatt, um nicht mitgezogen zu werden. Mit voller Wucht pendelte er in Richtung des Turms des Windrads, schlug dagegen und brach sich den linken Oberschenkel und Ellenbogen. Nach dem Unfall war er sieben Monate arbeitsunfähig. Er hat seine Lehren daraus gezogen: „Teamwork und Kommunikation sind ganz wichtig, man muss sich auf seine Kollegen verlassen können.“

Eine andere Sichtweise auf das Thema lieferte Extrembergsteiger Alexander Huber in seinem Vortrag. Mit seinem Bruder Thomas bildet er die Seilschaft „Huberbuam“. In seiner 20jährigen Laufbahn als Extremsportler habe er gelernt, dass er Sicherheit vor allem aus mentaler Kraft und Stärke ziehe. Dieses Vertrauen in sich helfe ihm nicht nur bei Klettertouren, sondern auch dabei, mit Stürzen umzugehen. Er setze sich dem Risiko eines Absturzes jedoch beim Klettern nur kurzzeitig aus, vor allem beim Freeclimbing. Diejenigen, die täglich unter schwierigen Bedingungen in der Höhe arbeiten, sollten sich jedoch zu jeder Zeit angemessen sichern.

Text: Stephan Thomas & Sarah Render

Alle Vorträge des 3. Fachkongress für Absturzsicherheit erhalten Sie unter

https://www.kongress-absturzsicherheit.de/3-deutscher-fachkongress-fuer-absturzsicherheit-2018_3193758.html
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