Eine Reise bis ans Ende der Welt

Zimmerer auf der Walz reisen durch Südamerika und besuchen die Inselgruppe Feuerland

Zwei Zimmerer auf der Walz reisten gemeinsam durch Südamerika. Dort besuchten sie die südlichste Stadt der Erde und fanden Arbeit bei einem deutschen Honorarkonsul. Außerdem unternahmen sie eine abenteuerliche Wanderung. Seine Erlebnisse auf der Walz beschreibt Benedikt Maria Schuster.

Feuerland – was für ein Name. Rein davon ausgehend, rechnet man mit Vulkanen, unerträglicher Hitze oder sengender Sonne. Dabei hat die Betitelung dieser Inselgruppe einen profanen Ursprung. Die ersten Europäer, die sich bis dahin vorwagten, sahen schon von ihren Schiffen aus in den Siedlungen entlang der Küste zahlreiche Feuer. Der Grund war simpel: Die Ureinwohner wollten sich vor der Kälte und dem omnipräsenten Wind schützen. Somit gaben die Europäer dem Eiland den Namen Tierra del Fuego, auf Deutsch: Feuerland.

Besuch in der südlichsten Stadt der Welt

Warum in aller Welt sollte man einem solchen Ort einen Besuch abstatten, noch dazu auf Wanderschaft? Weil es sich ganz einfach lohnt! Nicht nur, da sich eine einzigartige Natur auf der zu Teilen chilenischen und argentinischen Inselgruppe vorfindet, sondern auch, weil man als reisender Geselle mit etwas Glück zu sehr interessanter Arbeit kommt.

So erging es dem fremden Rolandsbruder Jonathan Wertmann und mir (Anmerkung: Das Wort „fremd“ bedeutet in diesem Zusammenhang, von einer zünftigen Gesellschaft oder einem Schacht „fremdgeschrieben“ zu werden, um anschließend nach deren Regeln auf die zünftige Wanderschaft zu gehen und in dieser Zeit nicht seinen Heimatort besuchen zu dürfen.) Nachdem wir vorher den nördlichen Teil Argentiniens, Paraguay und Brasilien sowie Santiago de Chile bereist hatten, trafen wir die Entscheidung, die südlichste Stadt des Erdballs zu besuchen: Ushuaia, gelegen am Beagle-Kanal und Ausgangspunkt für zahlreiche Antarktisexpeditionen. Wir kamen bei 9°C und starkem Wind auf der Insel an und machten uns auf die Suche nach einer Unterkunft. Da es Mitte Januar war, gestaltete sich das Unterfangen weitaus schwieriger als gedacht. Das ist die Hauptsaison für Touristen und gleichzeitig sind die argentinischen Sommerferien – da ist nicht mehr viel Platz frei. Nachdem uns diverse Hostels eine Absage erteilt hatten, kam uns der Zufall zu Hilfe. Wir wurden angesprochen, auf Deutsch: Was denn zwei Zimmerleute hier machen würden, fragte uns ein Mann. Er stellte sich als Pablo vor, geboren auf Feuerland, verheiratet mit einer Deutschen und Fremdenführer. Wir erzählten ihm von unseren Plänen und der momentanen Unterkunftsmisere. Sofort bot er uns ein Zimmer in seinem Haus an und spendierte uns mit seinem Auto noch eine kleine Rundfahrt durch die Stadt. Beim Abendessen stellte sich heraus, dass seine Frau dem Honorarkonsul der Bundesrepublik Deutschunterricht gab. Dieser hat zwar deutsche Wurzeln, durfte aber mit Beginn der Schulzeit nur noch Spanisch sprechen. Eben dieser Konsul besitzt eines der größten Bauunternehmen in Ushuaia und die beiden waren sicher, dass für zwei Zimmerleute Arbeit zu finden sei.

Garagentore aus Holz gebaut

Die beiden Zimmerer und Rolandsbrüder zu Gast bei dem deutschen Honorarkonsul auf Feuerland
Foto: Benedikt Maria Schuster

Die beiden Zimmerer und Rolandsbrüder zu Gast bei dem deutschen Honorarkonsul auf Feuerland
Foto: Benedikt Maria Schuster
Am nächsten Tag schauten wir beim Konsul vorbei, der von unserem Besuch begeistert war. Stolz führte er uns über sein Firmengelände, das zwei große Holzwerkstätten mit diversen stationären Maschinen, ein großes Holzlager und eine Trockenkammer umfasst. Dann zeigte er uns sein neuestes Projekt auf dem Firmengelände, eine große Garage. Dafür fehlten noch die Tore und somit stand unsere Aufgabe fest. Am nächsten Tag begannen wir unsere Arbeit, eine Skizze wurde uns bereitgelegt, über alles andere hatten wir freie Hand. 3 Tore sollten es werden, 2,60 m breit und unterschiedlich hoch, da es dort unten so üblich ist, die Bodenplatte mit Gefälle zu bauen (Der Sinn blieb uns allerdings verborgen.). Das Holz, das auf Feuerland und in großen Teilen Patagoniens verwendet wird, nennt sich „Lenga“, auch Südbuche genannt. Verwendet wird dieses Holz sowohl im Baubereich als auch im Möbelbau. Witterungsbeständigkeit, da gerbsäurehaltig, mittlere Faserlänge und Farbtöne von hellem Rot bis Grün kennzeichnen das Holz. Außerdem ist es recht feinjährig gewachsen.

Improvisiertes Gestell und Keile

Während einer von uns aus dem Lager die passenden Hölzer zurechtlegte, konnte der andere mit dem Abrichten beginnen. Als wir damit fertig waren, ging es ans Dickenhobeln. Danach teilten wir uns arbeitsmäßig auf. Jonathan fräste und verleimte die Bretter für die Füllungen, ich begann mit dem Ablängen der Zargen und der Ausarbeitung der Zapfen. Danach mussten die Zapfenlöcher angerissen und ausgearbeitet werden.

Zimmerer_in_Werkstatt.jpeg Verleimen in der Werkstatt mit minimalem Zwingeneinsatz
Foto: Benedikt Maria Schuster

Verleimen in der Werkstatt mit minimalem Zwingeneinsatz
Foto: Benedikt Maria Schuster
Jonathan konnte in der Zwischenzeit mit dem Schleifen der Füllungen beginnen. Es ging voran und so war es möglich, das erste Segment eines Tores zu verleimen. Da ein eklatanter Mangel an funktionierenden Zwingen vorherrschte, mussten wir mit einem improvisierten Gestell und Keilen arbeiten, aber wir meisterten diese Hürde. Ähnlich erging es uns mit dem Verleimen der ersten beiden Segmente zum ersten Tor.

Zapfen mit Holznägeln zusätzlich gesichert

Da es in diesem Betrieb Usus war, die Zapfen nochmal mit Holznägeln zu sichern, wurden noch Löcher gebohrt und Holznägel gefräst. Das überraschte uns dann schon sehr, dass es keine Fertigteile gab, sondern alles selbst gemacht werden musste. So langsam nahm das erste Tor Gestalt an. Die Füllungen wurden eingepasst und die Leisten sowie die Zierkreuze angefertigt. Unnatürlich für uns Zimmerer waren die vielen Schleifarbeiten, doch man ist ja flexibel und kann sich auf neue Arbeitsabläufe einstellen. Wir arbeiteten uns voran, bis die drei Tore entstanden waren. Insgesamt haben wir gut zwei Wochen in dem Betrieb gearbeitet und dort interessante Erfahrungen gemacht. In den heimischen Werkstätten wird wohl nirgends mehr so geschafft, aber es war großartig, bis auf die Schrauben und den Leim wirklich alles selbst hergestellt zu haben.

Trampen gestaltete sich schwierig

Danach war die Lust aufs Reisen wieder geweckt, so machten wir uns auf in Richtung Norden, um noch mehr von Feuerland und Patagonien zu sehen. Das Trampen gestaltete sich allerdings äußerst zäh, denn anscheinend war den argentinischen Autofahrern die Zimmerer-Kluft nicht so wirklich geheuer. Das andere Problem sollten dann die Wetterkapriolen und die kaum vorhandenen Unterstandsmöglichkeiten bei Regen oder prallem Sonnenschein sein. Aber irgendwie kamen wir vorwärts, denn ein Pärchen im roten T2-Bus brachte uns nach zwei Tagen des Wartens langsam, aber unaufhörlich in Richtung Norden. Uns stand nämlich noch ein weiteres Abenteuer bevor.

Felsige Strandabschnitte und eiskaltes Wasser

Nachdem wir Ushuaia bereist hatten, war unser nächstes Ziel, den südlichsten Punkt des Festlandes zu bewandern: Kap Froward. Dieser Ort liegt an der Magellanstraße und wurde in den 1980er Jahren sogar vom damaligen Papst Johannes Paul II. besucht. Allerdings mit dem Hubschrauber und bald sollte uns klar werden: Das wäre um einiges einfacher gewesen, als auf Schusters Rappen dieses abgelegene Stück Erde aufzusuchen. Uns erwartete nämlich nicht, wie im Wanderführer angegeben, eine anspruchslose Fünf-Tage-Wanderung mit der Querung von drei kleinen Bächen, sondern eine echte Herausforderung.

Auf ihrer Wanderung überquerten die Zimmerer felsige Strandabschnitte, schwammen durch eiskaltes Wasser und meisterten Kletterpassagen
Foto: Benedikt Maria Schuster

Auf ihrer Wanderung überquerten die Zimmerer felsige Strandabschnitte, schwammen durch eiskaltes Wasser und meisterten Kletterpassagen
Foto: Benedikt Maria Schuster

Felsige Strandabschnitte mit Klettereinheiten über Steine und umgestürzte Bäume, Hochmoore, Passagen mit Ab- und Aufseilen und Schwimmen mit Gepäck im eiskalten Wasser, alles war geboten. Das alles unter dem Druck, dass der nach den Angaben im Buch gekaufte Proviant vielleicht doch nicht mehr reichen könnte, wenn wir zu lange brauchten. Ach ja, und der südlichste Punkt des Festlands ist im Übrigen auf einem Berg, der auch sumpfig ist. Da brachte selbst die atemberaubend schöne Landschaft nur in den wenigsten Fällen erfreuliche Ablenkung. Doch wir meisterten die uns selbst aufgebürdete Last und nach der Rückkehr in die Zivilisation aßen wir das wohl beste Steak auf der ganzen weiten Welt. Jetzt, nach einigem zeitlichen Abstand, kann ich sagen: Es war eine unvergessliche Wanderung und wir beide waren wohl die ersten Wandergesellen, die sich bis zu diesem Ort vorgewagt haben. Außerdem konnten wir Delfine, Wale, Seelöwen, Robben und Adler in freier Natur bewundern, das entschädigt dann doch für einiges.

Die Wanderung führte die Rolandsbrüder zum Perito-Moreno-Gletscher im argentinischen Santa Cruz
Foto: Benedikt Maria Schuster

Die Wanderung führte die Rolandsbrüder zum Perito-Moreno-Gletscher im argentinischen Santa Cruz
Foto: Benedikt Maria Schuster

Unsere weitere Reise führte uns noch zum Perito-Moreno-Gletscher, an den Lago Carrera und zu guter Letzt wieder zum Ausgangspunkt unserer Reise, Buenos Aires. Von dort aus ging es nach drei intensiven Reisemonaten wieder nach Deutschland.

 

Autor

Benedikt Maria Schuster ist Zimmerer und einheimischer Rolandsbruder.

Verband der Europäischen Gesellenzünfte

Dieser Artikel erschien erstmals 2021 im Magazin „Bulletin – Verbandsmitteilungen der Euro­päischen Gesellenzünfte“. Das Magazin wird herausgegeben von der C.C.E.G. (Confédération Com­pagnonnages Européens Europäische Gesellenzünfte), dem Dachverband europäischer Gesellenvereinigungen. Zur C.C.E.G. gehören derzeit der Rolandschacht, die Gesellschaft der rechtschaffenen fremden und einheimischen Maurer- und Steinhauergesellen, die Vereinigung der rechtschaffenen Zimmerer- und Schieferdeckergesellen, der Fremde Freiheitsschacht (Freiheitsbrüder), die Gesellschaft Freie Vogtländer Deutschlands, die Fédération Compagnonnique und die Fédération Compagnonnique Belgique, die Union Compagnonnique des Compagnons du Tour de France des Devoirs Unis und die Vereinigung SCUK-Naverne Forening for Berejste Scandinaver.

Die Vernetzung und der Austausch der europäischen Gesellenvereinigungen untereinander sind die Hauptziele des C.C.E.G. Daher erscheint das Magazin „Bulletin“ zweisprachig (Deutsch & Französisch) und enthält in jeder Ausgabe Reiseberichte von Gesellen und Gesellinnen, die in Europa und weltweit auf die zünftige Walz gehen. Außerdem gibt das Magazin Einblicke in die Verbandsarbeit und enthält Tipps für Fortbildungen und Seminare. Fachartikel runden den Inhalt ab. Darüber hinaus berichtet das Magazin über die Geschichte der Walz und der Europäischen Gesellenvereinigung. Das Magazin kann online bestellt werden unter www.cceg.online.

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