Blechdach der 1500 Jahre alten Geburtskirche in Bethlehem saniert

Das Dach der 1500 Jahre alten Geburtskirche in Bethlehem – einem der bedeutendsten Orte der Christenheit – wurde kürzlich vollständig neu mit Walzblei eingedeckt. Das Projekt könnte ein gutes Beispiel dafür werden, wie das Zusammenleben und -arbeiten der verschiedenen Konfessionen im Heiligen Land gelingen kann.

Über der Grotte, die der Geburtsort von Jesus Christus sein soll, wurde bereits im 4. Jahrhundert n. Chr. eine Kirche gebaut. Die heutige Basilika stammt aus dem 6. Jahrhundert n. Chr. und wurde im Laufe der Jahrhunderte etliche Male erweitert. Seit 1852 regelt der sogenannte „Status quo“ die Nutzungsrechte zwischen den drei Konfessionen, die Ansprüche auf das Heiligtum erheben: der römisch-katholischen, der griechisch-orthodoxen und der armenischen apostolischen Kirche. Jeder Winkel des Gebäudes ist exakt zu­gewiesen, und Grenzübertretungen endeten in der Vergangenheit auch schon einmal in handfesten Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern der un­­­terschiedlichen Lager.

Sanierungsstart mit Hindernissen

Bis im Jahr 2013 dringende Restaurierungsarbeiten an der Dachfläche aus Blei beginnen konnten, musste daher nicht nur die schwierige Frage der Finanzierung geklärt werden, sondern auch die drei Konfessionen an einen Tisch gebracht werden. Wegen der angespannten Situation waren Schäden jahrzehntelang nur notdürftig geflickt worden. Der Zustand des Daches war 2008 so verheerend, dass die UNESCO die Geburtskirche auf die Liste der 100 weltweit gefährdetsten Bauwerke setzte.

Den Anstoß zur Aufnahme der Arbeiten gab letztlich eine Initiative der palästinensischen Autoritäten unter der Führung von Präsident Mahmud Abbas. Man bat alle religiöse Parteien an einen Tisch und erstellte einen Maßnahmenplan. Ein 2011 von italienischen Experten erstelltes Gutachten attestierte dringenden Handlungsbedarf am Dach, der Fassade, den Fenstern, den Mosaiken und Malereien. Von September 2013 bis Januar 2015 wurden als eine der ersten Maßnahmen der hölzerne Dachstuhl und die Eindeckung aus Blei instand gesetzt. Die erforderlichen 3 Millionen Dollar für die 1. Bauphase kamen von den palästinensischen Autoritäten und diversen anderen Geldgebern.

Die Koordination sämtlicher mitwirkender Institutionen und Firmen vor Ort leitet Prof. Claudio Alessandri von der Universität Ferrara in Italien. Mit der Ausführung der Baumaßnahme wurde die Firma Piacenti SPA betraut. Die Dacharbeiten führte als Subunternehmer die Firma VASARI Architectures & Restoration LLC aus. Die beiden Unternehmen sind Spezialisten im Bereich der Denkmalpflege und beispielsweise bereits mit Restaurierungsarbeiten an den Uffizien in Florenz betraut gewesen.

Im September 2013 konnte unter größter Vorsicht mit dem Aufbau des Gerüsts für das Dach begonnen werden. Dieses begann im Innenraum der Kirche und wurde durch die Fenster nach außen auf das Dach geleitet, da im Außenbereich kein Platz zum Aufstellen vorhanden war.

 „Der herausforderndste Teil dieses Jobs war, dass alle Arbeiten im laufenden Betrieb ausgeführt werden mussten.“ erklärt Sergio Tobia, der die Dacharbeiten leitete. „Die Kirche stand für Besucher und Touristen offen. Darüber hinaus wurden die Gottesdienste regulär fortgeführt, während wir unter und auf dem Dach gearbeitet haben. Das bedeutete, dass wir bei der Planung und Umsetzung insbesondere auf die Sicherheit von Arbeitern und Besuchern, aber auch auf die Einhaltung der Stille und Würde während der heiligen Handlungen Rücksicht nehmen mussten.“

Aufwendige Sanierung mit Holz aus den Alpen

Die Bleibleche und die darunterliegende Lage aus Lehm und Stroh wurden bis auf die Holzunterkonstruktion abgetragen. Da die Restaurierung minimalinvasiv erfolgen sollte, wurden nur diejenigen Hölzer ausgetauscht, die nicht zu retten waren. Auf diese Weise konnten etwa ¾ des hölzernen Dachstuhls im Original erhalten werden. Die anderen Bereiche waren durch Termiten und Feuchtigkeit so sehr beschädigt, dass ein Austausch notwendig war. Als Austauschmaterial wurden unter größtem Aufwand historische Hölzer beschafft, die von derselben Art und aus derselben Zeit, wie die Originale stammen. Bei der exakten Bestimmung halfen die italienische Experten für Baum- und Holzkunde. Das für die Holzunterkonstruktion des Dachstuhls ursprünglich verwendete Bauholz konnte von ihnen als Lerchenholz aus den Höhenlagen der Ostalpen identifiziert werden. Es war dort Mitte des 15. Jahrhunderts geschlagen und über Flüsse nach Venedig gebracht worden. Von dort ging  es per Schiff und dann auf dem Landweg weiter nach Bethlehem. Durch die exakte Bestimmung gelang es den Verantwortlichen, Austauschmaterial zu besorgen, das dem ursprünglich verwendeten Holz in seinen Eigenschaften entsprach.

Sanierung des Daches mit Walzblei

Ein Bleidach ist an der Geburtskirche bereits für das 15. Jahrhundert, die letzte Instandsetzung für die Mitte des 19. Jahrhunderts dokumentiert. Die Bleche dieser Eindeckung wiesen 2013 erhebliche Schäden auf, die zu einem Wassereintritt in den Dachstuhl und in den Innenraum geführt hatten. Ab August 2014 wurde die gesamte Eindeckung gegen neue Bleche aus Walzblei ausgetauscht. Insgesamt etwa 80 Tonnen Blei und rund 2200 Bleche lieferte der Krefelder Walzbleihersteller Röhr + Stolberg vom Werk in Krefeld über Antwerpen nach Ashdod in Israel. Durch die Zuspitzung der politischen Situation im Sommer 2014 dauerte es jedoch Wochen, bis die Ware im israelischen Hafen durch den Zoll freigegeben und in Bethlehem angekommen war.

Als Unterkonstruktion für das Bleidach wurde eine doppelte Holzschalung mit dazwischenliegender Belüftungsebene gewählt. Als Trennlage zwischen Holzschalung und Blei wählte die Verantwortlichen ein Produkt aus 100 Prozent Schafswolle. Die 1 cm dicke Matte ist besonders haltbar und feuchtigkeitsabsorbierend.

Bei der Verlegung wurde auf eine Technik mit innenliegendem Holzkern zurückgegriffen. Der Holzkern macht die Eindeckung besonders robust, zum Beispiel gegen Windsog. Zunächst wurden  Wulsthölzer direkt auf der Dachunterkonstruktion befestigt und die Bleibleche dazwischen positioniert. Die Einzelbleche in 2 mm Stärke hatten inklusive Zugabe für den Falz ein Format von 750 x 1750 mm, was ein verbautes Deckmaß von 500 x 1500 mm ergibt. Um der thermischen Längendehnung Rechnung zu tragen, sind die Hölzer nach unten konisch verjüngt. Zwischen den Hölzern positionierten die Dachhandwerker Walzbleizuschnitte in der Stärke von 2 mm, die mittels Falz über den Holzkern getrieben und per Falz miteinander verbunden wurden. Die Befestigung erfolgte mit Haften und Schrauben aus Kupfer.

Die letzten Handgriffe erledigte das Dachhandwerksteam im Frühjahr 2015, so dass das Kircheninnere nun wieder vor schädlichen Feuchtigkeitseinbrüchen geschützt ist. Die Arbeiten an den Mosaiken und Fresken im Inneren werden noch bis 2017 andauern.

Friede durch Sanierung?

Die Christmette 2014 konnten die Gläubigen bereits mit einem intakten Dach über dem Kopf feiern. Die letzten Handgriffe wurden dann im Januar 2015 gemacht, so dass das Kircheninnere nun wieder vor schädlichen Feuchtigkeitseinbrüchen geschützt ist. Die Arbeiten an den Mosaiken und Fresken werden noch bis 2017 andauern. Restaurierungsexperte Sergio Tobia sieht in der Sicherung der Geburtskirche, die 2012 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde, einen ersten Schritt in die richtige Richtung: „Ich hoffe sehr, dass die Restaurierung dieser einzigartigen Sehenswürdigkeit den Tourismus und die Ökonomie in dieser Region vorantreibt. Damit die liebenswürdigen Menschen unterschiedlichen Glaubens, die hier seit Jahrhunderten zusammenleben, eines Tages Frieden und Wohlstand erleben können.“

Autorin
Inga Richrath hat Medienkulturanalyse studiert und ist für das Marketing bei der Röhr+Stolberg GmbH in Krefeld verantwortlich.

Die Handwerker verarbeiteten bei der Sanierung insgesamt 80 Tonnen Blei

Bautafel (Auswahl)

Projekt Geburtskirche, Bethlehem

Bauunternehmer Piacenti SPA, Prato, Italien

Subunternehmer Dacharbeiten VASARI Architectures & Restoration LLC, Huntsville, USA

Dacharbeiten/Restaurierung Sergio Tobia / VASARI

Material Walzblei der Röhr + Stolberg GmbH,

47809 Krefeld

Der Nahostkonflikt

Als die Römer um 70 nach Christus das Gebiet des heutigen Staates Israel eroberten, flüchtete die Bevölkerung des jüdischen Reiches und wurde auf der ganzen Welt verstreut. Viele ließen sich auf dem europäischen Kontinent nieder. Ihre Nachfahren wurden in den darauffolgenden Jahrhunderten oftmals diskriminiert und verfolgt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstand unter den in der Diaspora lebenden Juden die Idee zur Gründung eines jüdischen Staates in den ursprünglichen Siedlungsgebieten des heutigen ­Israel. Nach dem Ersten Weltkrieg, genehmigte Großbritannien, das zu dieser Zeit Palästina verwaltete, die Einwanderung der ersten jüdischen Siedler. Zur Zeit der nationalsozialistischen Verfolgung in Europa kamen dann noch einmal Hunderttausende in den Nahen Osten und auch viele Überlebende des Holocaust suchten hier nach dem 2. Weltkrieg eine neue Heimat. Sie nahmen dabei Gebiete in Besitz, die mittlerweile seit Jahrhunderten von arabischen Völkern, den heutigen Palästinensern, bewohnt waren. Einen Vorschlag der UN, diesen Territorialkonflikt durch die Teilung in einen jüdischen und einen arabischen Staat aufzuteilen, lehnte die arabische Seite bereits 1947 ab. Dennoch wurde im Mai 1948 der freie Staat Israel ausgerufen, woraufhin noch in derselben Nacht mehrere arabische Länder Israel angriffen. Israel besetzte in der Folge weitere palästinensische Gebiete, deren Bevölkerung in den Gazastreifen und das Westjordanland floh. 1949 wurde ein erster Waffenstillstand vereinbart, der in den folgenden Jahrzehnten durch zahlreiche neue Konflikte gebrochen wurde. 2005 vereinbarten der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas eine neue Waffenruhe und den Abzug der israelischen Truppen aus Gaza. Nach der Räumung von Gaza regiert dort seit 2007 die radikalislamische Hamas, die immer wieder mit Anschlägen auf Israel von sich reden macht, während im Westjordanland die gemäßigte Fatah herrscht. Friedensgespräche wurde 2014 durch Israel abgebrochen, nachdem sich Hamas und Fatah auf die Bildung einer Einheitsregierung einigten. Als im Sommer 2014 auf palästinensischer und israelischer Seite Jugendliche getötet wurden, kam es zu neuen Kämpfen zwischen Israel und der Hamas. Zum jetzigen Zeitpunkt herrscht wieder Waffenruhe ohne eine konkrete Aussicht auf einen dauerhaften Frieden im Nahen Osten.

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