Mit Kartonagen ökologisch dämmen

Nicht jede Dämmung ist in ihrer Materialität tatsächlich ökologisch, auch wenn alle Dämmstoffe nachweislich dafür sorgen, dass weniger Heizenergie verbraucht wird. Sogenannte Zellstoffverbundelemente (ZVE), die Wellpappe gleichen, sind bezahlbar und aus nachwachsendem Rohstoff.

Die Hausbesitzerin des Objektes in der Marquardstraße 52 in Fulda hatte sich lange Gedanken gemacht, wie der Dachstuhl aus den 1970er Jahren saniert und gedämmt 1912 erbaut worden. Im Jahr 1970 wurde es zwar saniert und dabei auch der Dachstuhl erneuert, eine energetische Sanierung fand allerdings nicht statt. Besonders im Traufbereich, der nicht ganz ausgemauert wurde, pfiff der Wind durch die Ritzen und sorgte in der kalten Zeit dafür, dass Dachraum und die darunter liegenden Wohnungen schnell auskühlten.  

Das Haus liegt zentral in Fulda, direkt gegenüber der Hochschule, deshalb wohnen auch viele Studierende im Haus. „Die wollen natürlich in Ruhe lernen und keinen Lärm haben“, sagt die Hausbesitzerin Barbara Leitsch. Die schnellste und einfachste Sanierungslösung aus Sicht der Vermieterin war, den Dielenboden im Dachgeschoss mit begehbaren Dämmplatten zu belegen. Das wäre allerdings nur die zweitbeste Lösung gewesen, denn so wird zwar die oberste Geschossdecke gedämmt (laut EnEV muss sie bei Sanierungen gedämmt werden), das Dachgeschoss bliebe aber ungedämmt und wäre damit für eine weitere Nutzung unbrauchbar.  

 

Dämmung mit nachwachsendem Rohstoff

Der Dachraum des Mehrfamilienhauses lässt aber Spielraum für einen Dachausbau, deshalb entschied sich Frau Leitsch letztlich dafür, das Dachgeschoss nach den heutigen Anforderungen zu dämmen, um es später auszubauen. Nach mehreren Beratungsgesprächen stand fest, dass ein nachwachsender Rohstoff die Gebäudehülle warm halten sollte. Aber auch wenn man diese Anforderung eingrenzt, gibt es große Unterschiede. Völlig neu sind sogenannte Zellstoffverbundelemente (ZVE). Diese Elemente sind mittlerweile als Patent national und international angemeldet und in unterschiedlichen Größen und Breiten erhältlich.

Die Zellstoffplatten sehen aus wie Wellpappe und haben viele innen liegende Lufteinschlüsse. Die Platten, die in Einzelstärken von 40 bis 500 mm produziert werden, sind quer zueinander zu Blöcken verklebt und erhalten dadurch eine außergewöhnliche Stabilität und Festigkeit. Der Lambda-Wert beträgt 0,04 W/mK, der Werkstoff ist nach der Brandschutzklasse B2 zertifiziert und geprüft.

 

Die Baulogistik war eine der vielen Herausforderungen

Unter anderem war bei der Sanierung die Baulogistik für die Handwerker eine Herausforderung. Aufgrund der Parksituation und der wenigen Freiflächen musste das Ordnungsamt eine Ausnahmegenehmigung erteilen, um die Baustoffe mit einem Kran anliefern zu können. Zudem musste das schadhafte Dach zunächst ausgebessert werden. Windschiefe Sparren wurden zum Teil ausgewechselt, zum Teil aufgedoppelt oder mit Füllhölzern ergänzt.

Um die Winddichtigkeit herzustellen wurde abgeklebt, manche Sparrenfelder mussten zuvor im Traufbereich mit OSB-Platten geschlossen werden. „Es war ein logistische Herausforderung, alle Arbeiten zu koordinieren“, sagt Bauleiter Pavel Vlasanek.  

Durch ein kleines Gaubenfenster wurde schließlich das Dämmmaterial ins Dachgeschoss geschafft. Für den Transport der ZVE-Platten behalf man sich mit einer Sonderkonstruktion in Form einer Holzpalette. Im Dachgeschoss selbst war es den Handwerkern möglich, die Platten so aufeinander zu stapeln, dass eine Art Treppe entstand, die begehbar war. Wegen der hohen Druckfestigkeit stellt das Betreten kein Problem dar, Gerüstböcke konnten so gespart werden.  

Alte Dampfsperre erfüllte ihre Funktion

Von der Sanierung aus den 1970er Jahren war die Dampfsperre noch weitestgehend erhalten und nutzbar, nur einige Stellen wurden nachträglich neu verklebt. Insgesamt sollte – in zwei Arbeitsschritten – eine 150 mm starke Dämmung eingebracht werden. Dazu begannen die Handwerker an den oberen Gefachen zunächst mit dem Einbringen der ersten Schicht der 75 mm starken ZVE-Platten und arbeiteten sich langsam nach unten. Dazu wurden die Platten genau auf Maß gesägt und zwischen die Sparren geklemmt. Zusätzlich wurden die Elemente mit Klammern seitlich befestigt. Die Stirnseiten der Platten schlagen stumpf aufeinander, die zweite Lage (um auf die Gesamtstärke von 150 mm zu kommen) wurde dann versetzt verlegt, damit konnten Wärmebrücken ausgeschlossen werden. Eventuell entstandene seitliche Lücken mussten mit weichem Zellstoff oder Hanf geschlossen werden, damit keine Wärmebrücke zwischen Balken und Dämmstoff entsteht.   


Die Arbeiten sind mit bewährten Holzwerkzeugen möglich

Der Zuschnitt der ZVE-Platten ist mit einer gewöhnlichen Handkreissäge möglich. Eine Absaugung verhinderte zu starke Staubbildung im Dachgeschoss. Noch idealer bei verwinkelten Dächern ist eine mobile Bandsäge, mit der die Anschlüsse – zum Beispiel an Grat- und Kehlsparren – ausgeführt werden können. Die Bandsäge wurde bei diesem Objekt zum Beispiel im Giebelbereich eingesetzt: Hier wurde eine zusätzliche Holzrahmenkonstruktion vorgesetzt und die Zwischenräume gedämmt.  

Im nächsten Schritt verklebten die Handwerker die Stöße und verlegten die diffusionsoffene Unterspannbahn Solitex Plus von pro clima über die Sparren. Die vierlagige Bahn mit Armierung wird vom Hersteller als besonders reißfest und schlagregenfest eingestuft. Sie kann somit auch als Behelfsdeckung auf dem bewitterten Dach verwendet werden. Die Bahn wurde unter die Sparren gezogen, getackert und hält zusätzlich mit der Konterlattung. Seitlich und an den Traufen wurde sie mit einem dafür geeigneten Systemkleber verklebt. Die einzelnen Bahnen wurden mit Klebebändern winddicht miteinander verbunden. Selbst bei unvorhergesehenen oder in der Baupraxis unvermeidbaren Feuchtebelastungen minimiert die Konstruktion – dank der hohen Trocknungsreserven durch die feuchtevariablen Diffussionswiderstände – Bauschäden.  

Da der Dachbereich zum Ausbau vorbereitet wurde, setzten die Handwerker auch neue Dachausstiegsfenster ein. Weitere Abklebearbeiten mussten deshalb an den Dachfenstern und der Kaminummantelung vorgenommen werden. Insgesamt wurde mit dem ZVE-Dämmsystem eine Dachfläche mit rund 320 Quadratmeter von innen gedämmt und energetisch saniert. Nach Fertigstellung der Arbeiten konnte ein gut gedämmter Dachraum an die Hausbesitzerin übergeben werden. Der U-Wert bei 150 mm Dämmung beträgt 0,201 W/m2K, der Lambda-Wert 0,040. Der Preis pro Quadratmeter Dämmung liegt unter den vergleichbaren ökologischen Dämmstoffen, die auf dem Markt angeboten werden. Damit ist das Zellstoffverbundelement als gute Alternative im Sanierungsmarkt zu betrachten.


Autor


Lothar Betz ist Zimmermeister und Geschäftsführer der Firma Betz Holzbau in Kalbach bei Fulda. Seit 2007 besitzt er das Patent auf Zellstoffverbundelemente und liefert sie im Eigenvertrieb. 

Die Dämmung des gesamten Dachstuhls lässt Spielraum für den weiteren Dachausbau

Eine energetische Sanierung mit Zellstoffelementen ist praktikabel und bezahlbar

Zellstoffverbundelemente

 

Das Zellstoffverbundelement (ZVE) ist ein ökologischer, recyclebarer und geruchsneutraler Dämmstoff und hat als einer der wenigen Dämmstoffe die Fähigkeit, eine statisch tragende Funktion zu übernehmen. Er ist ideal für Holzrahmenbaukonstruktionen und ab 40 mm bis zu 500 mm Blockstärke lieferbar (Standardformat 0,625 x1,25 m), Sonderformate sind möglich.

Durch Veränderung der Nutzschichten ist das ZVE für die spezielle Nutzung einstellbar. So ist zum Beispiel die Verbindungsvariante mit einer Putzträger-Holzfaserplatten möglich.

Die Druckfestigkeit beträgt bis zu 33 N/mm2 und ist ebenfalls in der Herstellung veränderbar. Durch die Längs und Querverklebung erreichen die Dämmblöcke eine hohe Formstabilität, die durch die Verklebung mit Span-, Furnier- oder Mehrschichtplatten noch verbessert wird.

Die ZVE-Platten wirken schalldämmend im Luft und Trittschallbereich und sind diffusionsoffen. Bei der Beurteilung des Brandschutzes wurden Sie in die Baustoffklasse B2 nach DIN 4102 Teil 1 eingeteilt.

Bei den ZVE wird im Vergleich zu anderen Dämmstoffen weniger Energie bei der Herstellung und der Entsorgung eingesetzt. Sie sind vielseitig verwendbar, unter anderem im Trockenbau für Leichtbauwände, bei Decken und Wänden, als Dämmung unter Verlegefußböden oder als Spitzdach-Dämmelemente. Durch ihre hohe Festigkeit sind sie auch als Aufdachdämmung geeignet.

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