Glasklare Lösung

Ein auskragender Holzbau und mehrere Meter breite und hohe Glasscheiben machen das Einfamilienhaus in Haselbach in Österreich zur perfekten Aussichtsstation. Dank eines neuartigen Fixverglasungssystems ist das Glas statisch tragend ausgeführt. Damit konnte auf zusätzliche Aussteifungen verzichtet werden.

Sanfte Hügel, viel Grün, Kühe, die auf satten Wiesen weiden – dieses Bild beeindruckte ein Ehepaar so sehr, dass es in dem nur 20 Häuser großen Ort Haselbach nahe bei Wien ein Hanggrundstück erwarb, um sich dort niederzulassen. Zuvor waren die beiden einige Monate durchs Land gefahren, um den richtigen Platz dafür zu finden. Den passenden Architekten fand das Paar im Nachbarort. Besser gesagt, sie entdeckten ein Einfamilienhaus, das ihnen gefiel und das der Wiener Architekt Karl Heinz Schwarz geplant hatte.

Die Wünsche der Bauherren – ein Haus am Hang mit rund 150 m2 Wohnfläche, ein klares und einfaches Konzept, möglichst viel Massivholz als Baumaterial und sehr viel Glas, damit die beiden möglichst ungestört die Landschaft bewundern konnten – setzte der Planer bereits im ersten Vorentwurf so prägnant um, dass er den Auftrag erhielt. Sein Konzept basiert auf drei Boxen, die wie drei Finger in die Landschaft ragen. Jede Box integriert eine andere Funktion. In der ersten wird gekocht, gegessen und gewohnt. Die zweite dient als Schlafbereich, die dritte nimmt das Büro auf beziehungsweise das Gästezimmer. Am Rücken sind die drei Boxen durch einen Verbindungstrakt miteinander gekoppelt. In diesem Trakt befinden sich die Funktionsbereiche des Hauses wie Diele, Garderobe, Bad und WC. So ist jeder der drei Flügel eigenständig und doch tragender Bestandteil des Einfamilienhausensembles.

Aufgeständert – für den besseren Blick

Am Hang stehen die drei Boxen auf dem Boden, Richtung Tal stehen sie auf Stützen und kragen weit aus. Drei Türen – die Wohnungseingangstüre, die Schlafzimmertüre und ein Nebenausgang – führen direkt nach draußen. Den Rest des Hauses verbinden riesige Glasflächen mit der Natur. Alle Scheiben sind ausschließlich Fixverglasungen. „Das ist ungewöhnlich, aber dank einer Wohnraumlüftung sehr komfortabel“, informiert Architekt Karl Heinz Schwarz. „Alternativ hätte man an jedem Öffnungsflügel Moskitonetze anbringen müssen, da die benachbarten Bauernhöfe mit den draußen weidenden Kühen natürlich auch viele Fliegen anziehen. Das wiederum hätte den Ausblick massiv beeinträchtigt.“ So hingegen besticht das Gebäude innen wie außen durch ein Wechselspiel zwischen Holz und Glas und überzeugt zudem durch sein energetisch optimales Passivhauskonzept.

Nur wo das Bauwerk an das Erdreich grenzt, wurde Stahlbeton verbaut. Stahlstützen tragen die aufgeständerten Holzboxen. Deren Basis bildet eine Holzbalkenkonstruktion, deren Untersicht mit 3 x 3 cm Lärchenbohlen auf 3 x 5 cm Lattung mit Hinterlüftung bekleidet ist. Winddichte Folie, 22 mm OSB-Platten sowie zwei Lagen Konstruktionsvollholz setzen den Aufbau fort. Eine Lage besteht aus 14 x 24 cm Bohlen, deren Zwischenräume mit 24 cm Steinwolle ausgefacht sind, die zweite aus 10 x 18 cm Konstruktionsvollholz in Kombination mit 12 cm Steinwolle als Dämmung. Den Abschluss bilden 22 mm OSB-Platten, 20 mm Trittschall-Dämmplatten, 5 x 8 cm Polsterhölzer und schließlich 3 x 5 cm Lattung mit dazwischen verlegter Fußbodenheizung sowie 3 cm Parkettboden.

Die Fassade setzt sich aus 3 x 3 cm Lärchenholzbohlen auf 3 x 5 cm Lattung mit Hinterlüftung zusammen. Zum Rauminneren grenzt daran eine 16 cm Vorsatzschale mit Steinwoll-Isolierung, gefolgt von 12,8 cm Brettsperrholz-Wandelementen.

Das Dach des dreigliedrigen Gebäudes ist mit EPDM Folie auf Vlies gedeckt. Darunter wurden 22 mm OSB-Platten verlegt. 6 bis 12 cm dicke Keilpfosten, in den Zwischenräumen gedämmt mit 6 cm Steinwolleplatten, bilden die oberste Konstruktionsebene. Es folgen eine weitere Schicht aus 26 cm Konstruktionsvollholz , ausgedämmt mit Steinwolle, die Dampfbremse, 22 mm OSB-Platten, 3 x 5 cm Lattung und eine Lage 15 mm Gipsfaserplatten.

Unsichtbar befestigt ohne Diagonalaussteiffungen

Sichtbare Krönung dieses Aufbaus ist jedoch der großflächig verglaste Teil der Fassadenkonstruktion. Es sind jene bis zu 5 m breiten und 3 m hohen, mit Lotuseffekt ausgestatteten Glaselemente, an die teilweise noch 1,40 m breite und 3 m hohe Über-Eck-Verglasungen angrenzen – und von deren Befestigung rein gar nichts zu erkennen ist. „Von außen sichtbar ist nur das Holz der angrenzenden Fassade, dann kommt schon das Glas“, freut sich der Planer über diese grazile Konstruktion, „nicht einmal Diagonalaussteiffungen gibt es.“ Das wäre noch vor gar nicht so langer Zeit unmöglich zu bewerkstelligen gewesen. Ohne Pressleisten keine Verglasung. Ohne Zugstäbe oder sonstige Diagonalaussteiffungen keine große Glasfläche. So lautete die Regel für großflächige Verglasungen bisher.

Erst die Entwicklung des Verbinderherstellers Knapp hat die in Haselbach angewandte Konstruktion möglich gemacht. Sie basiert darauf, dass das verbaute Glas statisch tragend ausgeführt ist, weil eine der außenliegenden Scheiben die Tragwirkung übernimmt. Damit kann auf Aussteifungen verzichtet werden. Nach der Montage ist das System sofort tragend und auch sofort wind- und wetterdicht. „Die Montage selbst geht äußerst einfach und zügig vonstatten“, erinnert sich der Architekt. Das unter dem Namen „Fasco“ vermarktete GFK Kunststoffprofil war bereits unter industriellen Bedingungen vom Glashersteller aufgeklebt worden, sodass das fertige Glaselement auf der Baustelle nur noch in die Fensteröffnung geschraubt werden musste. Entsprechend kurz ist die Bauzeit des Einfamilienhauses veranschlagt worden. „Immerhin war bereits November, als die Verglasung an der Reihe war“, kommentiert Schwarz. Da das Wetter zu schlecht war, „konnten wir die Wetterfuge auch nicht sofort herstellen, sondern mussten dafür noch ein paar Tage warten“, informiert er weiter. „Das war aber kein Problem, weil die Fassade schon dicht war.“ Der Planer hatte zuvor auf Basis von drei möglichen Ausführungsdetails des Verbinderherstellers Knapp die Lösung ausgewählt, die es ermöglicht, die Scheiben auf Wunsch sofort austauschen zu können, ohne dass die Fassade dazu geöffnet werden muss. „Es genügt die Silikonfuge herauszuschneiden und schon kann das Glas ausgewechselt werden“, sagt Architekt Schwarz.

Kosten gleichen sich aus

Das Objekt in Haselbach ist eines der ersten, die diese Art der Verglasung nutzen. „Ich würde das auch jederzeit wieder tun“, beteuert Schwarz. „Man spart sich dadurch Kosten für die Windverbände, es ist optisch schöner, und zudem ist die Montagezeit angenehm kurz.“ Es müsse lediglich darauf geachtet werden, dass die Montage durch geschultes Personal ausgeführt und dass das System möglichst früh in die statische Planung eingebunden werde, da dadurch Windverbände entfallen und sich somit die Statik ändert. Sogar die Kostenfrage des Projekts kann sich sehen lassen. Zwar liegen die Preise für die Verglasung etwa 20 Prozent über denen einer regulären Ausführung. Die Zeitersparnis der kürzeren Montage und die Kostenersparnis aufgrund der entfallenden Windverbände machen dieses Manko jedoch wieder wett.

Autorin
Christine Ryll ist Fachjournalistin in München mit dem Schwerpunkt Holzbau.

Die grazile Konstruktion kommt ohne diagonale Aussteifungen aus

Bautafel (Auswahl)

Projekt Einfamilienhaus in Haselbach in Holzbauweise mit Glassystem

Generalunternehmer Weirer Holzbau GesmbH, A-8842 Katsch / Mur

Architekten Architekt Dipl.-Ing. Dr. techn. Karl-Heinz Schwarz, A-1160 Wien,

www.architekt-schwarz.com

Statik Zivilingenieurbüro Hans Jörg Felkel,

A-3030 Maria Anzbach

Fassaden- und Fensterhersteller Glas Bau Creativ Handels- und Produktionsges. M.b.H, A-3370 Ybbs an der Donau, www.glasbaucreativ.at

Verbindungsmittel Fixverglasung Knapp GmbH, A-3324 Euratsfeld, www.knapp-verbinder.com

Verglasungssystem mit Fasco Profilen

Selbst tragendes, gebäudeaussteifendes Glaselement
Mit jeglicher Glasart wie Floatglas, TVG oder VSG als Zwei- oder Drei-Scheiben Isolierverglasung kombinierbar
Detail- und Montagepläne für Glashersteller und Fassadenbauer liefert der Verbindungshersteller. Zum Angbot gehört auch ein statischer Service und die Vorbemessung der Verklebungder Glasscheiben
Ausführung der Verklebung der Verbinder mit den Glasscheiben durch zertifizierte Glashersteller unter industriellen Bedingungen
Tragende Fixverglasung zugelassen für zweigeschossige Bauten bis zu sieben Meter Traufhöhe
Nichttragende Fixverglasung ohne Einschränkung zugelassen

www.fasco.at

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