Auszubildende entwerfen, planen und errichten ein Gartenhaus

Azubi-Projekt fördert selbständiges Arbeiten und ermöglicht praktische Anwendung von Methoden aus der Zimmererausbildung

Mit der Planung und dem Neubau eines Gartenhauses in Freiburg haben Auszubildende der Zimmerei Holzbau Dippon ein Projekt umgesetzt, das selbständiges Arbeiten fördert und Leidenschaft für den Zimmererberuf weckt: Die Auszubildenden entwarfen das Gartenhaus in Eigenregie und setzten die Arbeiten weitesgehend allein um.

Der Zimmereibetrieb von Friedrich Dippon aus Weinstadt bei Stuttgart bekam vor einiger Zeit aus dem über 200 km entfernten Freiburg die Anfrage, ein Gartenhaus zu fertigen. „Freiburg liegt für gewöhnlich weit außerhalb unseres Aktionsradius, doch die Art des Auftrages und wie wir zusammengekommen sind weckte mein Interesse“, erzählt Friedrich Dippon.

Auf den Betrieb von Friedrich Dippon wurden die Bauherren durch einen Bericht im SWR aufmerksam, in dem Zimmerermeister Dippon als Hauptakteur eine Hühnerpagode zimmert (mehr dazu lesen Sie hier). Friedrich Dippon spürte schnell, dass den Auftraggeber aus Freiburg und ihn die Liebe zum Detail verband und nahm den Auftrag an. Außerdem machte er daraus ein einzigartiges Projekt für die Auszubildenden seines Betriebs.

Erste Projektskizze des Bauvorhabens von einer ehemaligen Auszubildenden
Zeichnung: Kathrin Wörner

Erste Projektskizze des Bauvorhabens von einer ehemaligen Auszubildenden
Zeichnung: Kathrin Wörner
Die Grundlage für die Entwurfsplanung des Gartenhauses waren Freihandskizzen der Auszubildenden Kathrin Wörner im dritten Lehrjahr, die mit dem Auftraggeber ausgetauscht und im Team gemeinsam ergänzt wurden. Die Vorstellung war, das Gartenhaus im traditionellen Freiburger Ortsteil Wiehre einzugliedern, indem auf dort übliche Details wie historische Biberschwanzziegel, Sprossenfenster, profilierte Sparrenköpfe und eine geschmückte Dachform geachtet werden sollte. Nach mehrmaligem Austausch, Gesprächen und Freigabe der Zeichnungen begannen die Arbeiten in der Werkstatt. Das Besondere an diesem Projekt war, dass die von den Auszubildenden erlernten Methoden der theoretischen Zimmererausbildung (Aufreißen, Anreißen, Ausarbeiten und Aufrichten) bei dem Gartenhäuschen in der Praxis umgesetzt werden konnten. Dies ließ sich bei der Überschaubarkeit des Projekts von den sechs Auszubildenden im ersten bis dritten Lehrjahr gut umsetzen. 

Als Dokumentation und für Ausbildungszwecke wurde von den Azubis der Aufriss auf Papier gebracht. Zur Ausarbeitung jedoch diente der vollständige Aufriss im Maßstab 1:1 auf die Beplankung der Giebelwand. Die traditionelle Methode des Verschneidens mehrerer Flächen (also das Schiften) die in der Zimmererausbildung hohen Stellenwert genießt, jedoch im Berufsalltag durch die fortschreitende Digitalisierung kaum mehr Anwendung findet, konnte hier besonders anschaulich bei der Konstruktion einer Dreiecksgaube umgesetzt werden. Grundlage für die Ausarbeitung und Detailplanung war eine Entwurfsskizze, die von Friedrich Dippon auf Grundlage der Entwurfsplanung angefertigt wurde. Danach erfolgte durch die Auszubildenden die Aufarbeitung der Details und Bauteile in einer separaten Zeichnung.

Konstruktions- und Detailzeichnung für das Gartenhaus auf Grundlage der ersten Entwürfe
Zeichnung: Erik Altmeyer

Konstruktions- und Detailzeichnung für das Gartenhaus auf Grundlage der ersten Entwürfe
Zeichnung: Erik Altmeyer

Aufgrund der guten Arbeitsvorbereitung konnte nun die Ausarbeitung, also die Umsetzung von der Zeichnung in eine Materialliste und die detaillierte Maßübertragung auf die Bauteile, erfolgen und auf das Team der Auszubildenden aufgeteilt werden. Das Lösen von Herausforderungen in diesem Prozess erfolgte im Team, das sich selbst organisierte, aufkommende Fragen sammelte und entweder selbst löste oder mit den Meistern klärte. 

In der Produktionszeit, die etwa eine Woche dauerte, wurden die Balkenlage für den Boden, die Holzrahmenbauwände sowie die vollständigen Dachelemente mit bereits montierter Gaube vorgefertigt, aber auch die Sprossenfenster und Türen für das Gartenhaus.

Genaue Planung vor der Fahrt nach Freiburg

„Der hohe Grad der Vorfertigung musste durchdacht sein und verlangte von den Auszubildenden einiges ab“, sagt Friedrich Dippon. „Bei hoher Vorfertigung kann man in den laufenden Entscheidungsprozessen nur noch mit sehr hohem Aufwand eingreifen. Da muss von Anfang an alles durchdacht sein und dann an einem Stück abgearbeitet werden.“

Der Termin für das Aufrichten (Ende Februar 2024) rückte langsam näher. Bei der Vorbereitung zum Aufrichten musste das Team gemeinsam alle Szenarien durchdenken, um für Überraschungen und Eventualitäten vorbereitet zu sein – und natürlich auch, um alle Werkzeuge und Baumaterialien für die Reise nach Freiburg dabei zu haben.

Das Gartenhaus wurde von den Auszubildenden gemeinsam geplant und aufgebaut. Beim Aufrichten standen die Zimmerermeister von Holzbau Dippon beratend zur Seite
Foto: Holzbau Dippon

Das Gartenhaus wurde von den Auszubildenden gemeinsam geplant und aufgebaut. Beim Aufrichten standen die Zimmerermeister von Holzbau Dippon beratend zur Seite
Foto: Holzbau Dippon
Nachdem die bis ins Detail vorgefertigten Elemente für den Bau des Gartenhauses (eine Bodenplatte, vier Wand- und zwei Dachelemente, Fenster und Türen mit Türschloss und Beschlägen), das für die Dacheindeckung und Verbinden der Elemente notwendige Material und sämtliches Werkzeug auf- und eingeladen wurde, ging es los. Bei der Fahrt mit dabei waren die betreuenden Meister Reinhardt Lamparter und Friedrich Dippon. „Wir konnten die Aufregung spüren, aber wir waren auch gelassen“, sagt Friedrich Dippon,  „auch deshalb, weil wir volles Vertrauen in die Vorarbeit der Auszubildenden hatten.“

So ging es am 29. Februar 2024 auf die dreistündige Autofahrt mit zwei Anhängern. Mit dabei waren die Auszubildenden Julius Lutterbüse, Erik Altmeyer, Severin Schäfer, Jan Riedel und Elias Veit, der Zimmerergeselle Carl Gross und die beiden Zimmerermeister. Leider konnte Kathrin Wörner, die nun ausgelernte Zimmerin, die den ersten Entwurf für das Haus gefertigt hatte und nun schon auf die traditionelle Wanderschaft aufgebrochen war, nicht dabei sein.

Materialtransport mit der Rutsche durch den Garten

Nach der Ankunft in Freiburg wurde zunächst der Ablauf des Aufrichtens gemeinsam geplant. Mit einer „Material-Rutsche“, die über Treppen und Gelände gebaut wurde, ließen sich auch die schweren Holzbauelemente leicht bewegen. Tragestrecken waren aber nach wie vor zu meistern, um die vorgefertigten Holzbauteile rund 50 m von den Fahrzeugen auf den Bauplatz zu transportieren. Der Boden war wegen starker Niederschläge aufgeweicht, was eine weitere Herausforderung darstellte.

Im ersten Schritt wurden die vorgefertigten Holzbauelemente von den Fahrzeugen an den Bauplatz geschafft
Foto: Holzbau Dippon

Im ersten Schritt wurden die vorgefertigten Holzbauelemente von den Fahrzeugen an den Bauplatz geschafft
Foto: Holzbau Dippon
Als Fundament war ein Ringfundament vorbereitet. Zunächst wurde die Bodenplatte mit „Multi-Monti Timberconnect“-Schrauben vom Hersteller Heco verschraubt. Die Holz-Holz-Verbindungen wurden mit Senk- und Tellerkopfschrauben ausgeführt. Nachdem alle Elemente aufgerichtet und verbunden waren, wurden die verbleibenden Aufgaben, etwa das Einsetzen der Sprossenfenster oder das Eindecken des Daches mit wiederverwendeten Dachziegeln koordiniert und aufgeteilt. Die Ziegel waren aus einem vorherigen Bauvorhaben vom Dach der Pauluskirche in Fellbach aufbewahrt worden und konnten nun wiederverwendet werden. Für die Konterlattung wurden Latten im Format 40 x 60 mm verwendet, darauf folgte die Traglattung (30 x 50 mm). Die Lattung hatten die Auszubildenden bereits auf den Dachelementen vormontiert. Alle Arbeiten verliefen nach Plan und so konnte nach nur anderthalb Bautagen in Freiburg ein schlüsselfertiges Gartenhaus übergeben werden. Den Freitagnachmittag nutzte das Team von Holzbau Dippon für einen gemeinsamen Ausflug in die Stadt, um die Baukultur Freiburgs zu erkunden und zu bestaunen.

Große Zufriedenheit über das gemeinsam Erreichte

Zimmermeister und Betriebsinhaber Friedrich Dippon war am Ende von der Umsetzung des Projekts begeistert und auch bewegt, was seine Lehrlinge geleistet hatten. „Dieses Projekt war weit mehr als nur der Bau eines Gartenhauses; es war eine Reise der Entdeckung und des Wachstums für die Lehrlinge. Von der ersten Skizze bis zur letzten Schraube haben sie ihre Leidenschaft und Kreativität eingebracht“, sagt Dippon. Schlüsselmomente und Herausforderungen seien die Übergaben der Arbeiten innerhalb des Teams gewesen. Dadurch konnten alle ihr Fachkenntnisse erweitern und vom Wissen der anderen profitieren. Der Geist der Ursprungsidee – der erste Entwurf von Kathrin Wörner, die nun auf Wanderschaft ist – konnte so bis zum fertigen Projekt weitergetragen werden.

Das fertige Gartenhäuschen, das der ersten Entwurfsskizze sehr nahe kommt
Foto: Holzbau Dippon

Das fertige Gartenhäuschen, das der ersten Entwurfsskizze sehr nahe kommt
Foto: Holzbau Dippon

„Am Ende spiegelten die mit Zufriedenheit erfüllten Gesichter der Lehrlinge den Stolz und die Freude über das gemeinsame Erreichte wider. Das Projekt markiert den Beginn ihrer vielversprechenden Karrieren als Handwerker“, ist sich Friedrich Dippon sicher.

Autoren

Erik Altmeyer ist Auszubildender im dritten Lehrjahr bei Holzbau Dippon. Jannis Spieth ist Zimmerergeselle und hat ebenfalls bei Holzbau Dippon in Weinstadt seine Ausbildung absolviert.

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