Eindeckung des Impluvium in Reinosa mit Titanzink
Antike Dachform zeitgemäß umgesetztDas Impluvium im spanischen Reinosa hat eine ungewöhnliche Dachform: Vier mit Zinkblechen gedeckte Pultdächer fallen von außen zur Mitte hin ab und münden in einen offenen Innenhof. Die Konstruktion ist eine zeitgemäße Umsetzung einer antiken, römisch-mediterranen Bauweise.
Rund 9000 Einwohner leben in der kleinen nordspanischen Stadt Reinosa inmitten einer dünnbesiedelten Hochregion zwischen Küste und Bergen. Das Klima ist mild, mit geringen Temperaturschwankungen, aber vergleichsweise viel Niederschlag. Im Jahr 1882 baute man inmitten der Altstadt ein Marktgebäude aus Metall, Holz und Stein, es galt als Symbol der Modernisierung. 100 Jahre später hatte der einstige Mittelpunkt der Stadt viel von seiner Anziehungskraft verloren. Auch eine Renovierung im Jahr 1986 brachte nicht den erwünschten Erfolg, die meisten der einquartierten Händler wanderten über die folgenden Jahrzehnte ab. Erst ein Brand im Jahr 2012 bot der Stadtverwaltung die Gelegenheit für einen kompletten Neuanfang. Mit kulturellen und sozialen Veranstaltungen wollte sie den zentralen Platz der Altstadt fortan wieder verstärkt mit Leben füllen. Mit diesem Ziel im Blick startete Reinosa einen internationalen Architekturwettbewerb für den Bau eines neuen Kultur- und Gemeindezentrums. Aus 329 eingereichten Projekten konnte sich der Entwurf des Architekturbüros RAW/deAbajoGarcía durchsetzen. Die Architekten hatten sich dem Ziel verschrieben, Elemente einer traditionellen Architektur mit modernen Bautechniken zeitgenössisch umzusetzen.
Schutz und Offenheit vereint
Das Gebäude präsentiert sich dem Besucher von außen zunächst mit viel Holz und Glas. Durch große Fensterflächen im Erdgeschoss ergibt sich ein freier Durchblick auf einen Innenhof. Kurze, nicht verglaste Fassadenbereiche sind als Natursteinmauern ausgeführt. Hinter diesen Steinen verbergen sich auf der Innenseite raumhohe Betonboxen, in denen die Infrastruktur für das Kultur- und Gemeindezentrum bereitgestellt wird.
Über dem Erdgeschoss bekleiden vertikale Holzlamellen die Außenfassade. Sie dienen nicht nur als halbtransparenter Sichtschutz, sondern bieten im Angesicht der südlichen Sonne auch eine Verschattung, die die direkte Wärmeeinstrahlung in das Gebäude abmildert. Das Impluvium erscheint gleichzeitig geschützt und offen und lädt die Besucher so zum Betreten ein.
Im Inneren des Gebäudes, mit einer Nutzfläche von rund 1500 m², ergänzt Beton den Materialmix aus Holz und Glas. Der polierte Betonfußboden und die eingebauten Boxen aus Sichtbeton bilden einen Kontrast zum warmen und strukturierten Holz, das den Innenraum dominiert. Holz findet sich nicht nur als Innenverkleidung im kompletten Dachbereich, sondern dient in Form von mächtigen Leimholzbindern auch als Tragwerk. Über den ganzen Innenraum hinweg findet sich ein weitgehend offener Grundriss, da die durchgehenden, stützenden Stahlträger nur an der Außen- und der Innenfassade entlanggeführt wurden. Der Innenraum bleibt stützenfrei. Um dies zu erreichen, wurde allerdings eine ganze Reihe von Stahlstangen zwischen den Leimholzbindern gespannt. Sie nehmen die Zugkräfte der Konstruktion auf. Den freien Raum im Gebäude um den Innenhof herum durchbrechen lediglich die eingestellten Boxen mit Küche, Sanitär- und sonstigen Nebenräumen sowie ein „Mezzanin“, ein Zwischengeschoss, das ohne Stützen im Raum zu schweben scheint und über schwarz lackierte Zugstangen aus Stahl von den Leimholzbindern abgehängt ist.
Nach innen geneigte Pultdächer
Das Impluvium hat eine für zeitgemäße Bauweisen höchst eigenwillige Dachform. Von den umgebenden Wegen und Plätzen aus betrachtet bleibt das Dach allerdings verborgen. Es erschließt sich dem Besucher nur aus der Vogelperspektive oder wenn er das Zentrum des Gebäudes betritt. Vier nach innen geneigte Pultdächer laufen auf den offenen Innenhof zu.
Ein Blick in die mediterrane Baugeschichte beleuchtet den Zusammenhang zwischen antiken Bauweisen und dem für das Gebäude gewählten Namen „Impluvium“. Viele römische Wohnhäuser besaßen einen zentralen Innenhof, das Atrium. Zum Atrium gehörte auch ein nicht überdachter Bereich, in dessen Mitte sich ein vertieftes, viereckiges Wassersammelbecken befand: das „Impluvium“. Es diente dazu, durch die Dachöffnung einströmendes Regenwasser aufzufangen.
Regenwasser läuft direkt in den Innenhof
Nach dem gleichen Prinzip wurde auch das Impluvium von Reinosa gestaltet. Das Regenwasser wird nicht über traditionelle Dachrinnen abgeleitet, sondern läuft über die Dachflächen in den tieferliegenden Innenhof. Hier enden dann die geschichtlichen Parallelen. Das Regenwasser wird nicht mehr in offenen Wasserbecken gesammelt. Stattdessen läuft es durch einen Gitterroststreifen, der den Innenhof rundherum einfasst, in die Kanalisation.
Das Dach gewinnt durch die fehlende Dachentwässerung an Eleganz. Aus dem Hof fällt der Blick auf ein klar strukturiertes Dach, das gerade durch seine Einfachheit besonders ästhetisch wirkt. Auf dem Dach finden sich außer den horizontalen Stangen eines umlaufenden Schneefanggitters und zwei Lüftungsauslässen keine störenden Elemente. Der Schneefang ist der Lage der Stadt in über 850 m Höhe geschuldet.
Große Dachüberstande
Der Grundriss des Daches beruht auf zwei größeren und zwei etwas kleineren Dachflächen. Das Dach wurde mit Zinkscharen von VMZinc eingedeckt. Auch bei verhältnismäßig geringen Dachneigungen lässt sich mit Titanzink ein gut abgedichtetes und langlebiges Dach bauen. Durch seine große Flexibilität eignet es sich auch für ungewöhnliche Bauweisen wie in Reinosa. Die einzelnen Scharen bestehen hier jeweils aus einem Stück und kommen, abhängig von den unterschiedlich großen Dachflächen, auf Längen von rund 6 und 10 m.
Verlegt wurden die Titanzinkscharen mit der traditionellen Doppelstehfalztechnik. Da es keine außen- oder innenliegende Dachentwässerung gibt, fließt das Regenwasser wie bereits erwähnt von der Dacheindeckung in den Innenhof, wo es dann am Boden aufgefangen wird. Ein solches Vorgehen ist in unseren Breiten wohl eher eine Seltenheit. Es funktioniert jedoch, da das Dach am Innenhof über entsprechend große Dachüberstände verfügt, die verhindern, dass das Wasser an der Fassade hinunterläuft. An den Kehlen sammelt sich naturgemäß deutlich mehr Wasser. Deswegen wurden die vier Ecken unterhalb der Kehlen zum Schutz mit Winkeln aus Zink versehen.
Titanzink verlegt mit Trennlage und Noppenbahn
Die Zinkscharen sind auf einer Holzunterkonstruktion verlegt. Diese basiert auf Holzelementen mit einer 10 cm dicken Wärmedämmung in der Mitte. Auf den Holzelementen liegt eine diffusionsoffene Trennlage und darüber die „VMZinc Sicherheitsbahn“, die eine hinterlüftende Wirkung übernimmt. Diese Noppenbahn bildet eine etwas stabilere Unterlage als die bekannte strukturierte Trennlage. Diese ist zwar in Deutschland bei vergleichbaren Konstruktionen von 3° bis 15° Dachneigung Pflicht, in vielen Nachbarländern wird sie nicht verwendet. Auf der „Sicherheitsbahn“ wurden die Zinkscharen verlegt. Der Luftauslass für die Ebene der Bahn läuft über ein gekantetes Firstprofil, dass sich um das gesamte Gebäude herumzieht.
Insgesamt weist dieser Aufbau mit einer relativ dünnen Außendämmung darauf hin, dass das Gewicht hier eher darauf liegt, vor Wärme zu schützen als vor Kälte. Dazu passt auch die transparente Außenfassade mit Holzlamellen, die den Innenraum vor dem direkten Einfall des Sonnenlichts schützt.
Als Material für die Zinkscharen wurde die Oberflächenvariante „Quartz-Zinc“ von VMZinc eingesetzt. Sie passt optisch gut zu den Leimholzbindern. Blickt man aus dem Innenhof nach oben, bildet die samtgraue Oberfläche des schmalen sichtbaren Dachstreifens bei jedem Wetter einen stimmigen Übergang zum Himmel.
Das vorbewitterte Titanzink verändert seine Farbigkeit im Laufe der Jahrzehnte unter dem Einfluss des Klimas nur noch geringfügig. Damit bildet es eine Brücke zum Holz, das im Laufe der Zeit ebenfalls seine Farbe verändern wird.
Durch Verzicht zur Eleganz
Das Impluvium lehnt sich mit modernen Mitteln und Materialien an eine alte römische Bauweise an. Die Architekten des Gebäudes verfolgen mit dem nach innen abfallendem Dach einen außergewöhnlichen Ansatz. Dabei ist die eigentliche handwerkliche Ausführung eher unspektakulär. Das komplette Fehlen einer Dachentwässerung verblüfft auf den ersten Blick, doch es bietet die Grundlage für ein elegantes Dach.
AutorGuido Wollenberg betreibt das Pressebüro Wollenberg-Frahm PR in Frechen und unterstützt den Hersteller VMZinc bei der Pressearbeit.
Bautafel (Auswahl)
Objekt Kultur- und Gemeindezentrum Impluvium, Reinosa (Spanien), 1300 m² Dachfläche
Bauherr Gemeinde Reinosa / Empresa Municipal de Promoción y Desarrollo de Reinosa (Kommunale Gesellschaft zur Förderung und Entwicklung von Reinosa)
Architekten RAW/deAbajoGarcía, Madrid und León, Spanien, www.deabajogarcia.com
Dacharbeiten Industrias Rogo, Polanco, Spanien, www.industriasrogo.com
Dachdeckung „VMZinc Quartz-Zinc“ in Stehfalztechnik, VM Building Solutions Deutschland GmbH, 45326 Essen, www.vmzinc.de