Anbau mit Holzdachkonstruktion

Um eine Ganztagesbetreuung mit Essensausgabe bereitzustellen, wurde an der Gutenberg-Realschule in Saarlouies ein eingeschossiger Kubus als Anbau gebaut. Die Besonderheit liegt in der Verwendung der Baumaterialien: Hier wurden neben nachwachsenden Rohstoffen Materialien mit einer guten Ökobilanz verwendet.

Da die erstmalige Einrichtung von Ganztagsbetreuung und Essenausgabe im Rahmen der Schulreform (Ausbau der freiwilligen Ganztagesschule) der Johannes Gutenberg-Realschule in Saarlouis schnell umgesetzt werden musste, wurden Klassenräumen kurzfristig umgenutzt. Das Provisorium war allerdings schnell zu klein. Zudem wurde es den schulpädagogischen Ansprüchen nicht gerecht. Deshalb sollten die Räumlichkeiten ausgebaut und ein Neubau geschaffen werden.

Der Neubau sollte ein Ruhe-, Spiel- sowie Medien- beziehungsweise Aufgabenraum der Ganztagesbetreuung entstehen. So planten die beauftragten Architekten Schwehm und Partner einen eingeschossigen Kubus. Dies wurde durch die dreiseitige Auskragung des Flachdaches und des Terrassenumlaufes unterstützt. Der Rahmen aus Flachdach und Terrassenumlauf sowie der zurückgesetzten raumbegrenzenden Glasfront vermitteln somit durch die Offenheit und den Blick nach außen den Eindruck eines transparenten Klassenzimmers zu sein. Verbunden wird der Anbau mit dem Bestand durch einen geschlossenen Brückenkasten. Wegen der geforderten Brandüberschlagszone von 5 m musste die Brücke massiv ausgeführt werden.

Nutzungsorientierte Leistungsbeschreibung

Um möglichst viele alternative Ausführungskonzepte hinsichtlich Baumaterialien und -verfahren beim Bewerbungsverfahren zu erhalten, hat das Bauamt bewusst die Leistungsbeschreibung sehr nutzungsorientiert formuliert. Den Überbau bildet eine funktionale Ausschreibung des Landkreises Saarlouis. Alle Architektenleistungen ab HOAI Lph5 und Ingenieurleistungen (Standsicherheitsnachweis, Wärmebedarfsausweis, SiGeKo, Prüfingenieur) obliegen daher dem Generalübernehmer.

Letztlich erhielt die Günther Kaiser GmbH nachträglich als zweitgünstigster Bieter den Zuschlag. Grund war der überzeugenden Auswahl der Baumaterialien zur Umsetzung des Anbaus. Im Bietergespräch wurde speziell nach Bauart und -materialien gefragt.

Ökologischer Gedanke bei der Baustoffwahl

Um – soweit möglich – nachwachsende und ökologische Baustoffe wie Schaumglasschotter, Zellulose-Einblasdämmung und Hölzer mit Zertifikaten verwendet. So wurde trotz öffentlichen Wettbewerbs und dem damit verbundenen Preisdruck ein akzeptabler Kompromiss zwischen Wirtschaftlichkeit und Ökologie erzielt. Die Bodenbeläge wurden beispielsweise aus Linoleum gefertigt, die Douglasieleisten der Sonnenschutz-Schiebeläden sind aus zertifiziertem Holz. Bei den Fenstern kamen Holz-Alu-Fenster aus zertifiziertem Kiefernholz zum Einsatz und beim Fundament wurde rund 56 m3 Schaumglasschotter aus recyceltem Altglas als Perimeterdämmung und Tragschicht unter der Bodenplatte eingesetzt. Die geforderten U-Werte, welche schon unter denen der EnEV 2009 lagen, konnten größtenteils nochmals unterschritten werden.

Große Spannweiten mit HTS-Träger

Die größte bautechnische Herausforderung war die Flachdachkonstruktion mit seiner großen Spannweite von etwa 7 m und der dreiseitige Auskragung von etwa 1,30 m (1-Feldträger mit Kragarm).

Statt einer klassischen massiven Bauweise einer 4-seitig gelagerten Stahlbetondecke und dem „Einpacken“ der Auskragungen und Attika mit WDVS wählte die Firma Kaiser eine leichte Trägervariante aus Holz. Dabei fiel die Wahl auf die HTS-I-Träger 370/60/100 (Meiser Vogtland OHG). Diese Träger bestehen aus einem Wellstahl-Steg und einem Unter-/Obergurt aus Holz. Durch diese Kombination sind die Träger tragfähiger als ihre Mitbewerber aus Holz, das heißt, dort wo die Holzstegträger (ab etwa 6 m) an Ihre Grenzen kommen, beginnen die Vorteile der HTS-Träger. Um die Wärmebrücke der Stahlstege am Kopfende sowie im ungedämmten Gefach der Auskragungen zu minimieren, wurden diese beidseitig gedämmt.

Der Unterzug aus Stahlbeton konnte auf Grund der geringen Eigenlasten der Tragkonstruktion und des Flachdachaufbaus mit 24 x 24 cm schlank gehalten werden. Die seitlichen Auskragungen konnten durch thermisch getrennte Verlängerungen des Ringankers auf dem Mauerwerk an der Traufe beziehungsweise des Unterzuges über die Fensteröffnungen aufgenommen werden.

Warmdach bauphysikalisch schadenfrei konstruieren

Flachdächer als Warmdach mit einer Holztragekonstruktion sind immer sehr kritisch zu betrachten und zu untersuchen. Eine bauphysikalische Überprüfung des Dachaufbaus ist daher unabdingbar.

Durch die benötigten Trennlagen und Abdichtungsbahnen sind im Dachaufbau immer Dampfbremsen vorhanden. Bei fehlenden Überdämmungen oder Belüftungen fällt oftmals sehr viel Tauwasser an und lässt die Dämmebene „absaufen“ beziehungsweise die Tragkonstruktion faulen. Hier ist bei der bauphysikalischen Berechnung darauf zu achten, dass die Austrocknungsmenge um einiges über der anfallenden Feuchtigkeit liegt. Eine diffusionsoffene Dachbahn mit niedrigem sd-Wert ist erforderlich.

Oberste Dämmschicht ist wichtig

Wegen der fehlenden Belüftung zwischen Gefachdämmung und Gefälledämmung übernimmt letztere eine weitere wichtige Funktion. Sie gewährleistet, dass sich die Dämmebene in den Gefachen nicht zu sehr erwärmt und abkühlt (Entstehung von Kondensat).

Die anfallende Feuchtigkeit in der Gefälledämmung ist von der Tragkonstruktion durch die Nahtverklebung der Bitumen BIT200DD gesperrt und kann damit keine Schäden verursachen.

Mit Verklebung zur Windsogsicherung

Die Windsogsicherung des Flachdachaufbau erfolgte wegen der fehlenden Auflast der Dachbegrünung durch Verklebung der einzelnen Schichten untereinander. Da die Dachbegrünung mit ihrem 100 mm Aufbau in der Fläche und im trockenen Zustand etwa 45 kg/m2 aufwies, die Windsogberechnung aber etwa 90 kg/m2 forderte, musste also eine zusätzliche Sicherung erbracht werden. Die geforderten Auflasten des Daches bis zu 198 kg/m2 der exponierten Bereiche wären durch die Verbreiterung der Kiesstreifen von 50 auf 90 cm mit 9-11cm Bekiesung einfach zu erreichen gewesen.

Auf Grund des Warmdaches und dessen kritischen Schichtenaufbaus entschied sich der Planer jedoch, die Gefälledämmung und Abdichtungsbahnen zu verkleben statt mechanisch zu befestigen. Hierdurch sollte die OSB-Verschalung und die darüberliegende Dampfsperre nicht beschädigt werden, um keine Leckage beziehungsweise Wärmebrücken und den damit verbundenen zusätzlichen Kondensatanfall zu verursachen.

Die EPS-Dämmung verklebten die Handwerker mit PU-Kleber. Die Flachdachabdichtungsbahn konnte direkt mittels der selbstklebenden Alwitra-VGSK auf der Dämmung windsogsicher verklebt werden.

Gründach für Nachhaltigkeit und Brandschutz

Es ist bekannt, dass Dachbegrünungen nachhaltig und ökologisch sind, weil sie nicht nur Lebensraum für Insekten geben, sondern auch durch die Rückhaltung von Niederschlagswasser die öffentlichen Entwässerungssysteme entlasten. Zudem unterstützen sie den sommerlichen Hitzschutz und schützen die Abdichtungsbahnen vor schädlichen UV-Strahlungen sowie mechanischen Beschädigungen.

Das in der Funktionalausschreibung geforderte leicht geneigtes Flachdach mit Begrünung verursachte zwar bei der Konstruktion des Warmdaches größte Sorgfalt, aber andererseits kam es der Einhaltung des Brandschutzes für die Flachdachkonstruktion der Verbindungsbrücke zu Gute. Eine Dachbegrünung gilt als harte Bedachung und erfüllt somit die Brandschutzanforderung.

Durch die konsequente Vermeidung einer mechanischen Befestigung zur Reduzierung von Leckagen und Wärmebrücken des Warmdachaufbaus, musste nun auch eine Absturzsicherung für die Pflege und Wartungsarbeiten ohne mechanische Befestigung gefunden werden. Der Hersteller der Dachbegrünung, die Firma Optigrün, bietet mit ABS ein System an, welches nur durch den Aufbau der Dachbegrünung aufgenommen werden kann. Dadurch sind keine optischen Unterbrechungen der floralen Oberfläche durch Gehwegplatten, Blechkästen oder Sandsäcke zu finden. Optigrün übernimmt dabei die Planung und Berechnung der erforderlichen Anzahl und notwendigen zusätzlichen Maßnahmen zur Lagesicherung der Points.

Autor

Marc Kaiser ist gelernter Zimmerer und Diplom Ingenieur im konstruktiven Hochbau. Er ist Geschäftsführer der Günther Kaiser GmbH & Co KG, ein Unternehmen für Bauunternehmung,  Zimmerei und Bedachung in Beckingen.

Die Dachkonstruktion aus HTS-I-Träger sind leistungsfähiger als normale Holzstegträger

Eine Dachbegrünung gilt als harte Bedachung und erfüllt
somit die Brandschutzanforderungen

Bautafel (Auswahl)

Projekt Anbau zur Ganztagesbetreuung an der Johannes- Gutenberg-Realschule in 66740 Saarlouis
Architekten Schwehm und Partner, 66740 Saarlouis
Bausumme 357 000 Euro Brutto inklusive Umbaukosten Bestand
Generalunternehmen Günther Kaiser GmbH & Co KG (Bauunternehmung / Zimmerei / Holzbau / ­Bedachung), Beckingen

Kritische Punkte des Warmdaches

Problematik der Dampfsperren auf der Oberseite der Tragkonstruktion durch 22 mm OSB und ­Bitumendampfsperre gegeben, die Austrocknung findet hauptsächlich nach innen statt, eine feuchteadaptive Folie ist unerlässlich.
Gefälledämmung kann durch die Dachbegrünung nur bedingt austrocknen, ist hier allerdings unproblematisch, da die Dämmung aus EPS nicht feuchteempfindlich ist.
Die Gefälledämmung ist rechnerisch für den EnEV-Nachweis nicht unbedingt notwendig; daher ist der teilweise Verlust der dämmphysikalischen Eigenschaften von wassergesättigter EPS nicht von Bedeutung (keine Tragkonstruk­tion aus Holz in der Gefälledämmung vorhanden).
Austrocknung im Sommer ist teilweise möglich (wegen diffusionsoffener Abdichtungsbahn).
Alwitra Evalon VGSK (sd-Wert = 24 m) ist zwar diffusionsoffen, aber die Dachbegrünung muss trocken sein, um die Dampfdiffusion zuzulassen, da die Wasserschicht sperrt. Ein Gefälle ist  ­wichtig, Verwendung einer Filtermatte zum schnelleren Ableiten des Sickerwassers.

Flachdachaufbau

abgehängte Rasterdecke
15 cm ruhende Luftschicht
Stützlattung 6 x 6 cm
Adaptive Dampfsperrfolie ProClima Intello Plus ­­(Moll bauökologische Produkte GmbH)
Dachtragkonstruktion mit HTS-I-Träger 370/60/100 alle 62,5 cm (Meiser Vogtland OHG)
37 cm Gefachdämmung aus Thermofloc-Zellulose (Peter Seppele GmbH)
22 mm OSB/3-Platten (Egger GmbH & Co KG)
Trennlage aus Bitumen BIT G200DD (Paul Bauder GmbH)
Gefälledämmung von 3 auf 28 cm, verklebt
Flachdachabdichtungsbahn Evalon VGSK (Alwitra)
6 mm Bautenschutzmatte
50 mm Drainschicht Typ Perl Lava 2/10 auf Filtermatte
Trenn- und Speichervlies RMS 300 von Optigrün
50 mm Substratschicht Typ E von (alles von Optigrün International AG)
Absturzsicherung (OptiSafe und ABS)
x

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