Konfliktpotenzial im Spitzboden
Lösungen für ungedämmte SpitzbödenDurch den Ausbau eines Dachgeschosses entsteht neuer Wohnraum. Der Vollausbau bis in die Firstspitze ist dabei jedoch selten, meist wird das Dach nur bis zur Kehlbalkenlage ausgebaut. Der darüber liegende Spitzboden bleibt häufig ungedämmt, unbeheizt und damit kalt – oder heizt sich im Sommer auf.
Verschiedene klimatische Verhältnisse im ausgebauten und nicht ausgebauten Dachbereich sowie unterschiedliche Einbausituationen der regensichernden Zusatzmaßnahmen sorgen in der Planung und Ausführung für einige Besonderheiten. Dabei beeinflussen sich einzelne Festlegungen gegenseitig, daraus entstehende Konsequenzen müssen beim Ausbau des Dachgeschosses berücksichtigt werden.
Auswahl der Verlegeart
Die Zusatzmaßnahme, z. B. eine Unterspann- oder Unterdeckbahn, lässt sich meist problemlos zuordnen. So ist ein einfaches, zu Wohnzwecken ausgebautes Dach ohne weitere Besonderheiten gemäß Regelwerk des deutschen Dachdeckerhandwerks, Fachregeln für Dachdeckungen mit Dachziegeln und Dachsteinen (Tabelle 1.1) mit zwei weiteren erhöhten Anforderungen zu werten. Hier kann eine Ausführung der regensichernden Zusatzmaßnahme als „überlappte/verfalzte Unterdeckung“ (Klasse 5) vorgesehen werden. Im nicht ausgebauten Spitzboden darüber liegt die Dämmung jedoch nicht mehr zwischen den Sparren, sondern – mehr oder weniger offen – in der Kehlbalkenlage. Wird die regensichernde Zusatzmaßnahme in diesem Bereich in der gleichen Verlegeart weiter geführt‚ kann sie ‚nur‘ als „Unterspannung“ (Klasse 6) ohne Unterlage gewertet werden. Eine Unterspannung nach Klasse 6 ist jedoch nur bis zu einer weiteren erhöhten Anforderung ausführbar.
Die Wärmedämmung der obersten Geschossdecke erfordert jedoch das gleiche Schutzniveau wie die Zwischensparrendämmung des ausgebauten Daches. Das bedingt im nicht ausgebauten Dachbereich die Ausführung „nahtgesicherte Unterspannung“ (Klasse 4). Da zwei unterschiedliche Verlegearten der Zusatzmaßnahme im einem Dach wenig sinnvoll sind, sollte für die gesamte Dachfläche die höherwertige Verlegeform gewählt werden. Der geringe Mehraufwand wird durch eine verbesserte Winddichtigkeit des ausgebauten Dachbereichs und eine höhere Regensicherheit des Dachaufbaus ausgeglichen.
Unterspann- oder Unterdeckbahn?
Doch welche Auswirkungen haben die beiden unterschiedlichen Verlegearten auf die Auswahl des Bahnenmaterials? Ist beim Wechsel der Verlegeart auch ein Materialwechsel erforderlich? Das „Merkblatt für Unterdächer, Unterdeckungen und Unterspannungen“ legt fest, dass sowohl Unterdeckbahnen als auch Unterspannbahnen als regensichernde Zusatzmaßnahmen verwendet werden können. Während Unterdeckbahnen als „eine Zusatzmaßnahme aus ausreichend wasserundurchlässigen Bahnen auf einer ausreichend tragfähigen Unterlage“ beschrieben werden, sind Unterspannbahnen „eine Zusatzmaßnahme aus ausreichend wasserundurchlässigen Bahnen ohne flächige Unterlage“, welche „gespannt oder mit planmäßigem Durchhang verlegt werden“. Kurz gesagt: Die Unterdeckung erfolgt aufliegend auf einem flächigen Untergrund, die Unterspannung wird frei gespannt ausgeführt.
Ergänzt werden diese Informationen durch die Produktdatenblätter für Unterdeck- und Unterspannbahnen, in denen diese Bahnen anhand definierter Materialanforderungen klassifiziert werden. Weitere notwendige Angaben für die endgültige Entscheidung für eine Unterdeck- oder Unterspannbahn findet man in den Produktinformationen und Verarbeitungshinweisen der Bahnenhersteller. Dort ist angegeben, ob die jeweilige Unterdeckbahnen auch für den Einsatz als Unterspannbahnen geeignet sind – und umgekehrt. Eine Unterdeckbahn kann meist auch als Unterspannung verwendet werden. Die Frage nach der Notwendigkeit eines Materialwechsels ist also in fast allen Fällen mit einem klaren ‚Nein‘ zu beantworten.
Tauwasser an diffusionsoffenen Unterdeckbahnen
Beim teilausgebauten Dach wird also die im ausgebauten Dachbereich verwendete, diffusionsoffene Unterdeckbahn im nicht ausgebauten Bereich in der Verlegeform „Unterspannung“ ohne Unterlage weitergeführt. In der kalten Jahreszeit kann es in diesem kalten Dachraum jedoch an der Unterseite der diffusionsoffenen Unterdeckbahn zu Tauwasserbildung kommen. Warum das auch bei einem diffusionsoffenen Material möglich ist, erklärt ein Blick auf die vorherrschenden bauphysikalischen Prozesse. Über den Zugang zum Spitzboden strömt erwärmte Luft in den kalten Dachbereich. Warme Luft kann mehr Feuchte speichern und transportieren als kalte Luft. Die einströmende Luft kühlt auf dem Weg nach außen immer weiter ab, bis beim Kontakt mit den Außenbauteilen (Zusatzmaßnahme, Tragwerk) die Taupunkttemperatur unterschritten wird. Dann fällt Tauwasser an und es beginnt zu tropfen.
Lösung: ungedämmte Spitzböden belüften
Gerade im Neubau tritt dieses Phänomen aufgrund der erhöhten Baufeuchte verstärkt auf. Problematisch wird es, wenn das Kondenswasser in größerer Menge an der Zusatzmaßnahme herunterrinnt und sich in der Wärmedämmung des Daches sammelt. Darüber hinaus führt erhöhte Feuchte im Dachgeschoss über einen längeren Zeitraum regelmäßig zur Schimmelbildung und zu Stockflecken am Holztragwerk. Um dieses Problem gar nicht erst aufkommen zu lassen, findet sich im „Merkblatt Wärmeschutz bei Dach und Wand“ in den Planungshinweisen (Abs. 1.3, (7)) die Anforderung: „Ungedämmte Spitzböden sind zu belüften, zum Beispiel durch Öffnungen im Firstbereich oder durch ausreichende Querlüftung.“ Die Belüftung des Dachraums sorgt dafür, dass die einströmende, erwärmte Luft möglichst zügig nach außen abgeführt wird. Das Tauwasserrisiko wird deutlich reduziert.
Regensicherheit bei Belüftungsöffnungen
Konstruktiv ist die Belüftung von Dach(teil)flächen allerdings oft herausfordernd. Im Merkblatt Wärmeschutz bei Dach und Wand sind die Anforderungen an Lüftungsquerschnitte und -öffnungen definiert. So gilt beispielsweise für die Lüftungsquerschnitte an First und Grat eine Öffnungsweite von > 0,5‰ der angeschlossenen Dachfläche. Bei Walmdächern mit kurzem First oder Zeltdächern ohne linearen First muss dann die Belüftung anders geregelt werden, etwa über die Grate. Das ist zwar möglich, bedeutet jedoch einen erhöhten Aufwand bei der Planung und Ausführung. Insbesondere bei flach geneigten, die Regeldachneigung des Deckwerkstoffs unterschreitenden Dächern wird die Ausführung der regensichernden Zusatzmaßnahme dann schwierig. Die Forderung nach einer erhöhten Regensicherheit auf der einen Seite und die Notwendigkeit von Belüftungsöffnungen in der Dachfläche auf der anderen Seite sorgen für Herausforderungen.
Eintrag von Flugschnee und Schlagregen vermeiden
So sinnvoll die Belüftung ungedämmter Dachteile auch ist: Diese Lösung hat Nachteile. Bei starken Schneefällen und gleichzeitiger Windeinwirkung kann Schnee durch die Fugen des Deckmaterials und die Lüftungsöffnungen in der Zusatzmaßnahme in das Dach eingetrieben werden. Liegt die Wärmedämmung ungeschützt auf der obersten Geschossdecke, sind Feuchteprobleme unvermeidlich. Das ist besonders problematisch, wenn die betreffenden Flächen schlecht einsehbar sind oder nur selten kontrolliert werden. Das Merkblatt für Unterdächer, Unterdeckungen und Unterspannungen sagt deshalb: „Eintrieb von Flugschnee und Regen durch Lüftungsöffnungen ist bei belüfteten Systemen nicht zu vermeiden.“ (siehe 3.6 Unterspannung; 3.6.1 Allgemeines).
Gerade in schnee- und/oder windreichen Regionen empfiehlt es sich daher, über nicht ausgebauten Spitzböden eine gedämmte, unbelüftete Dachkonstruktion zu wählen, die Zwischensparrendämmung also bis in die Firstspitze zu führen. Auf diese Weise löst man die oben beschriebene Tauwasserproblematik und vermeidet gleichzeitig den Feuchteeintrag über die Lüftungsöffnungen.
AutorArne Witzke ist Dachdeckermeister und Anwendungstechniker bei der Dörken GmbH & Co. KG in Herdecke.