Fachwerk-Kongress vereint Theorie und Praxis
Deutschland ist reich an Fachwerkbauten, jede Region bietet ihre Besonderheiten. Grund genug für den Lehmhersteller Claytec, im November letzten Jahres in Süddeutschland (Biberach) und im Siegerland (Freudenberg) ein Fachwerksymposium für Handwerker, Planer und den Handel anzubieten. Die Redaktion war beim Symposium in Biberach mit dabei.
Einen Überblick über Fachwerkgebäude in Deutschland gab der Experte Professor Manfred Gerner. Der „Fachwerkpapst“, der über 250 Fachwerkbauten freilegte und sanierte, ordnete Regionen und Stile zu und gab eine zeitliche Einordnung dieser Gebäudeform. Es gibt etwa 2,5 Millionen Fachwerkhäuser, davon 250 000 Funktionsgebäude, in Deutschland, das sind fünf Prozent aller Gebäude. In den großen Städten gibt es allerdings nur noch eine geringe Anzahl, als Beispiel nannte Gerner Köln (70 Fachwerkhäuser) und Berlin (50 Fachwerkhäuser).
Holzsparende Bauweise
Während bei der Stab- und Blockbauweise die Gebäude aus Holz gebaut wurden, ist der Fachwerkbau eine holzsparende Bauweise, weshalb er lange stilgebend war. Die Ursprünge liegen 1200 v. Chr, das Ziel der Fachwerkbauweise: Mit einer Holzkonstruktion alle Kräfte aufzunehmen und nach unten in das Fundament abzuleiten. Die Stabbauweise spielte im Mittelalter – vor allem im Norden – eine große Rolle, etwa bei Stabkirchen in Norwegen. Von den ehemals 1600 Stabkirchen sind aber nur noch 23 erhalten.
An Beispielen zeigte Manfred Gerner die weltweite Verbreitung von Fachwerkbauten. Über Europa hinaus zeigt sich zum Beispiel in Brasilien viel Fachwerk, aber auch in Butan und der Türkei. Die Innenstadt von Ankara ist beispielsweise fast komplett mit Fachwerkhäusern gebaut.
Fachwerk und Lehm – eng verknüpft
Fachwerk- und Lehmbau sind eng verknüpft, das wurde auf dem Symposium deutlich, als der Aufbau eines Fachwerkbaus thematisiert wurde. In die Gefache montierte man beim Bau aufrechte Staken, die mit einem Flechtwerk umschlungen wurden. Auf das Flechtwerk, oft aus Weiden, kam dann der Lehmbewurf, der die Konstruktion luftdicht macht und als ausgleichender Feuchtepuffer dient: Das Holz der Gefache arbeitet und der, auch im trockenen Zustand, noch elastische Lehm passt sich an. Die Experten sprechen von einer „angepassten Festigkeit“: Der Lehm verformt sich mit der Beweglichkeit des Hauses. Im Umkehrschluss entstehen Bauschäden, wenn andere Putze und Trägermaterialien verwendet werden. Eine Silikonfuge etwa hilft hier nur so lange, bis sie reißt.
Ausfachen mit Lehm-Mauerwerk
Nach der Theorie ging es in die Praxis über: Anwendungstechniker von Claytec zeigten, wie eine Ausfachung mit Lehmmauerwerk geht. Das Anbringen von Dreiecksleisten ist hierbei der erste Schritt. Danach werden kleinformatige Lehmbausteine (nach DIN 18945/Anwendungsklasse 1a) mit einem Lehmmörtel-Bett eingemauert und verputzt.
Auch das Thema Innendämmung war Teil des Praxistages. Dem Thema kommt Claytec mit einer Holzfaserplatte nach, in die eine Dampfbremse eingebaut ist. Die Zusammenarbeit mit dem Holzfaserdämmstoff-Hersteller Pavatex hat sich hier bewährt. Der Lehmkleber wird mit dem Zahnspachtel auf die Platte aufgebracht und mit der Innenwand verklebt.
Die Experten nennen hier einen RichtwertBis 60 mm ist diese Konstruktion unbedenklich und nachweisfrei. Darüber braucht es eine hygrothermische Bauteilsimulation. Das System funktioniert, schwierig wird es aber, wenn die Außenmauern bei Starkregen durchfeuchtet werden und – vor allem in den Wintermonaten – das Rücktrocknungspotential fehlt. Hier gilt es genau zu schauen, an welchen Hausseiten (Himmelsrichtung, Schlagregenbelastung – Stichwort: Wetterseite) das Fachwerk sichtbar gelassen werden kann und welche Dicke die Innendämmung haben darf. Das Verhältnis zwischen Kapillarität (der Abtrockung nach innen) und der Diffusion nach außen kommt hier zum Tragen. „Bei solchen Anwendungen braucht es neben Fachwissen vor allem den gesunden Menschenverstand“, resümiert Ulrich Röhlen von Claytec. Neben Praxisvorführungen kamen auch Fachleute aus dem Denkmalbereich zu Wort. Das Unternehmen Jako zum Beispiel, ansässig in Rot an der Rot in Oberschwaben, berichtete über Bauprojekte. Die Firma hat sich auf Translozierungen, also den kompletten Ab- und Wiederaufbau eines Gebäudes an einem anderen Ort, überregional einen Namen gemacht.
Zufriedene TeilnehmerInnen
Seminarteilnehmer Benedikt Herrmann war mit der eintägigen Veranstaltung zufrieden. Der Maurer mit einem Ein-Mann-Montagebetrieb interessiert sich vor allem für die Altbau-Sanierung. „Das war eine gute und informative Veranstaltung, allerdings hat mir das Thema Stampflehm gefehlt“, so sein Resümee.
„Ich habe viel gelernt“, war das Fazit der angehenden Zimmerin Selina Armbruster beim Fachwerksymposium in Biberach. Sie lernt bei der Zimmerei Adi Hummel in Wintersulgen im dritten Lehrjahr. Unter anderem war sie von den bauphysikalischen Aspekten angetan, weil hier der Zimmermann ein Gebäude genau und ganzheitlich betrachten muss. Der Wechsel von Theorie und Praxis hatte für sie das richtige Maß: „Der Überblick über die Welt des Fachwerks hat mir geholfen, das Thema richtig einzuordnen und dann in die Praxis überzugehen“, sagt sie rückblickend zufrieden.