Vom Schutzdach zum Nutzdach
Auf dem Wege von der reinen Schutzfunktion eines Daches hin zu neuen, aktiven Funktionalitäten ist auch die Beratungsleistung des Dachhandwerks gefordert. So kann ein „aktives Dach“ neben der Erzeugung von Wärme und Energie auch helfen, Schadstoffe aus der Luft herauszufiltern.
Bereits heute ist bei Neubauten ein Teil des Energiebedarfs mit erneuerbaren Energien zu decken. Neben der Energieeinsparung ist dies auch unter Umwelt- und Kostengesichtspunkten empfehlenswert. Daneben können moderne, aktive Dachkonstruktionen mit Aktiv-Dachbaustoffen vor Schadstoffen und Strahlen schützen und das Wohnklima optimieren. Nachfolgend werden unterschiedliche Systeme für das Dachhandwerk vorgestellt.
Photovoltaik – Strom vom Dach
Die Erzeugung von Strom vom Dach ist mittlerweile zum festen Bestandteil unserer Dachlandschaften geworden. So wird der Betrieb von Photovoltaikanlagen immer unabhängiger von Einspeisevergütungen und vermehrt zum dezentralen Eigenverbrauch genutzt. Es wird für den Verbraucher stetig attraktiver, den Sonnenstrom vom Dach selber zu nutzen.
Indach-Lösungen
Die Herausforderung bei Indach-Systemen liegt vor allem in der hochwertigen Montage auf dem Dach. Indach-Systeme sollten Dachhandwerker installieren, die auch mit den gängigen Regelwerken für das Dach vertraut sind. Denn es geht auch um Gewährleistungen: So müssen seit Ende 2012 nach Mitteilung vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) Übereinstimmungserklärungen vom installierenden Unternehmen abgegeben werden. Hiermit bescheinigt der Installateur, dass die Anlage der Bauregelliste A, Teil 3, lfd. Nr. 2.8 entspricht, was in der Regel der Fall ist, wenn er die Anlage nach der Herstellerverarbeitungsvorschrift installiert hat. Der Hersteller muss mit einem allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnis bestätigen, dass das Dach mit der Solaranlage den Anforderungen an eine harte Bedachung entspricht und somit als vollwertiges Bedachungsmaterial alle Schutzfunktionen eines Daches erfüllt.
Indach-System Premium
Eine besonders ansprechende Lösung ist das PV-Indach-System Premium von Braas für die vollständige Integration in die Dachdeckung. So ergibt sich ein harmonisches Deckbild, das auch die höchsten Ansprüche an Design und Ästhetik erfüllt. Durch den modularen Aufbau der abgestimmten Systemkomponenten können Modulfelder jeder gewünschten Größe und Form realisiert werden. Ein Modul hat dabei die Deckbreite von sechs Dachsteinen und wird auf der vorhandenen Dachlattung montiert.
PV Indax –PV-Module auf Dachpfannen
Mit dem Indach-System PV Indax ist die Integration von hochwertigen kristallinen PV-Modulen in Dächer mit allen gängigen Dachpfannen möglich. Auch hier übernimmt das System die vollwertige Schutzfunktion einer Dachdeckung. Das System besteht neben den Modulen aus einem Eindeckrahmen als Grundset für den Einbau von zwei Modulen übereinander und zwei Modulen nebeneinander. Eine Erweiterung mit entsprechenden Erweiterungssets sowohl in horizontaler und vertikaler Richtung als auch über Eck und mit modular integriertem Wohnraumdachfenster ist problemlos möglich.
Die polykristallinen Module mit einer Nennleistung von 190 bis 245 Wp weisen eine positive Leistungstoleranz von + 3,0 Prozent auf und sind sehr belastbar. Die gute Hinterlüftung des Systems stellt hohe Erträge sicher. Auch für das PV Indax-System liegt ein bauaufsichtliches Prüfzeugnis vor.
Wärmeerzeugung mit Thermokollektor
Die Nutzung von solarer Wärme ist heute in vielen Bereichen Alltag. Vor allem in der solaren Warmwasseraufbereitung und Heizungsunterstützung ist die Technologie ausgereift. Auch hier können Thermokollektoren für die Indach-Montage die optische und funktionssichere Einbindung in die Dachdeckung sicherstellen. So reicht zum Beispiel eine Kollektorfläche von nur etwa sechs Quadratmetern, um bis zu 60 Prozent des Warmwasserbedarfs einer drei- bis vierköpfigen Familie zu decken; im Sommer beträgt der Deckungsgrad sogar bis zu 100 Prozent. Bei der Heizungsunterstützung können etwa 20 Prozent durch solare Wärmeenergie gedeckt werden. Anlagenkonzepte ohne sichtbare Anschlussleitungen auf dem Dach sind besonders vorteilhaft, da sie nicht Außenbewitterung und Vogelfraß ausgesetzt sind. Auf der verdeckten Rückseite des Thermokollektors sind die flexiblen Anschlüsse für den Vor- und Rücklauf sowie den erforderlichen Thermofühler installiert. Ob in 4, 6, 8 oder 10 m2 Größe, als vormontierte Anlage mit integriertem Eindeckrahmen und einer traufseitigen Schürze ist die Einbindung unabhängig vom Dacheindeckungsmaterial möglich. Die Montage erfolgt mit dem Kran und ist schnell erledigt. Die Anlage ist intern fertig verschaltet; die durch die Dachdeckung geführten Leitungen müssen anschließend nur noch vom Heizungsbauer angeschlossen werden. In Verbindung mit einem Solar-Trinkwasserspeicher entstehen komplette Lösungen, die hervorragend aufeinander abgestimmt sind.
Aktive Dachbaustoffe
Funktionelle Dachstein-Oberflächen tragen aktiv zum Umweltschutz bei. Besonders vorteilhaft ist dabei die Dachstein-Technologie, mit der sich neue funktionelle Baustoff-Oberflächen realisieren lassen.
So sind Dachsteine mit der innovativen Protegon-Technologie mit Infrarot reflektierenden Pigmenten ausgerüstet. Diese in der Oberfläche eingearbeiteten Pigmente reflektieren bis zu 300 Prozent mehr Infrarotstrahlen als herkömmliche Dachsteine und Dachziegel. Auf der Unterseite der Protegon-Dachsteine kann somit ein Temperaturunterschied von bis zu 10 °C erreicht werden, was je nach Dachaufbau zu einer Verbesserung des Wohnraumklimas führen kann. Durch Reflexion wird darüber hinaus ein Beitrag zu einem günstigen Mikroklima geleistet.
Photoaktive Dachbaustoffe
Seit einiger Zeit können Dachsteine, die mit einer photoaktiven Oberfläche ausgestattet sind, Luftschadstoffe durch photokatalytische Wirkung umwandeln. Diese photoaktiven Dachbaustoffe wirken gegen schädliche Stickoxide, eine Reihe weiterer Schadstoffe und sorgen für saubere Oberflächen. Bei dem Photokatalysator handelt es sich um das lichtempfindliche Halbleitermaterial Titandioxid. Der Katalysator wird bei den Reaktionen nicht verändert und nicht verbraucht. Die Wirksamkeit bleibt somit ein Baustoffleben lang erhalten. Photokatalyse bedeutet, dass die Reaktionen auf der Oberfläche des Katalysators mit Hilfe von Licht ablaufen und aus einer ganzen Reihe physikalischer sowie chemischer Einzelreaktionen bestehen. Sie kann genutzt werden, um Schadstoffe wie Stickoxide (NOx) abzubauen. So wird ein Beitrag zur Verbesserung der Luftqualität auch im Rahmen der Luftreinhalteplanung geleistet. Die Wirkung wurde in einem umfangreichen Feldversuch nachgewiesen. (www.photoaktivebaustoffe.de/praxis-beweis.php)
Zusätzlich zeigen sich selbstreinigende Eigenschaften. Organische Stoffe wie Moose, Flechten und Algen werden zersetzt und vom Regen abgewaschen. Dieser Selbstreinigungseffekt kann auch unter dem Gesichtspunkt der Werterhaltung eine lohnende Überlegung für die Wahl eines Produktes sein.
Fazit
Das Dach und seine konstruktiven und gestalterischen Elemente sind wesentlicher Bestandteil unserer bebauten Umwelt. Der reinen Schutzfunktion entwachsen, werden Dachflächen zur Energiegewinnung genutzt und können aktiv zum Umweltschutz beitragen. Mit seiner Form, seiner Neigung sowie seinen innovativen Baustoffen ist das geneigte Dach in idealer Weise für diese neuen Nutzungen geeignet.
Autor
Horst Pavel ist Leiter der Braas-Anwendungstechnik und stellt mit seinem Team die technische Beratung der Partner und Kunden sowie die Mitarbeit in technischen Arbeitsgruppen bei Verbänden sicher.
Indach-Systeme sollten nur Dachhandwerker installieren, denn sie sind mit den gängigen Regelwerken vertraut
Indach-Systeme – Kerngeschäft des Handwerks
Einer Monier-Studie zufolge, wird der europäische Markt für PV-Indach-Systeme auf rund 300 Megawatt Leistung beziffert (Zahlen von 2012). Diese Energieleistung entspricht rund drei Prozent aller installierten Anlagen. Bis 2015 soll sich dieser Anteil verdoppeln. In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies, dass in Deutschland 2012 für rund 120 Millionen Euro Indach-Anlagen errichtet wurden. Bei einer konservativen Berechnung, unter Einbeziehung sinkender Systempreise und der unterschiedlichen Eignung von Dachflächen für die Photovoltaik, kann dieser Markt europaweit auf bis zu 4,3 Milliarden Euro wachsen. Auch der Dachhandwerker kann hier mitverdienen, denn Indach-Anlagen gehören zum Kerngeschäft des Dachhandwerks.