Retention: sicherer Rückhalt für Dachflächen
Retention leitet sich von dem lateinischen Wort „retinere“ ab und bedeutet „zurückhalten“. Die unter dem Begriff „Retention“ zusammengefasste, gezielte Regenrückhaltung wird auf immer mehr begrünten Flachdächern praktiziert. Dazu gibt es nun auch ein Entwässerungsberechnungsverfahren.
Wohin mit den Starkregenwassermengen, die viele kommunale Kanalsysteme überfordern? Vermehrte Extremregenereignisse und zunehmend versiegelte Flächen addieren sich zu einem Problem, auf das immer mehr Kommunen mit Einleitbeschränkungen reagieren. Denn wenn die öffentlichen Kanäle überlastet sind, kommt es zum Rückstau auf dem Grundstück, zu überfluteten Kellern und Straßen. Immer häufiger staut sich das Wasser bis auf die Dachfläche – wir müssen hier also mit einer statischen Zusatzbelastung des Gebäudes rechnen. Seitdem Regen immer öfter zu einem Medienereignis geworden ist, wird die Forderung nach einer dezentralen Regenwasserwirtschaft laut, und immer mehr Bauherren sind bereit, die statischen Vorgaben für ein begrüntes Dach mit Regenrückhaltung zu erfüllen. Retention heißt das Problemlösungssystem, das bereits auf Bodenflächen genutzt wird und jetzt auf immer mehr Flachdachbauten Einzug hält. Begrünte Dachflächen fungieren als Wasserspeicher, der einen geregelten Wasserrückhalt mit verzögertem Abfluss ermöglicht. Je nach Konzeption verfügen begrünte Null-Grad-Dächer über das Vermögen, 50 bis 90 Prozent der Regenspende zu speichern, wobei ein Teil des Wassers auch langsam verdunstet. Bei mehrschichtiger Bauweise können Extensivbegrünungen im Durchschnitt etwa 35 l/m2 Niederschlagswasser aufnehmen, Intensivbegrünungen etwa 45 l/m2. Entscheidend ist hier unter anderem auch das Wasserspeichervermögen der eingesetzten Drainageplatten. Außerdem fungieren Dachbegrünungen als natürliche Klimaanlage des Gebäudes, das im Sommer vor Hitze und im Winter vor Kälte schützt. Versiegelte Flächen am Boden werden durch die Grünfläche in lichter Höhe in gewissem Maße ausgeglichen.
Drei Alternativen
Versickerung, Rückhaltebecken oder Drosselung. Es ist an der Zeit, sich mit einer gezielten Wasserbewirtschaftung zu beschäftigen. Auch die DIN 1986-100 rät zu einer dezentralen Regenwasserbewirtschaftung, „…um die Einleitung von Regenwasser in die öffentliche Abwasseranlage zu reduzieren.“ (Quelle: DIN 1986-100 Pkt. 5.3.1). Eine Alternative zur Einleitung in die kommunalen Netze ist die Versickerung, ggf. mit einer Teileinleitung in die Kanalisation. Angesichts zunehmender Flächenversiegelung sind die dafür erforderlichen, schadlos überflutbaren Freiflächen oft nicht mehr verfügbar. Speicherung, überirdisch in einem Teich oder in einer Rigole, ist die heute schon oft praktizierte zweite Alternative, die zudem eine Nutzung der Wasserspenden ermöglicht. Drosselstrecken, die das Oberflächenwasser zeitverzögert einleiten, empfehlen sich als dritte Möglichkeit.
Bemessungsgrundlagen adaptieren
All diese Regenrückhalteräume auf dem Grundstück kann man bemessen. Dazu gibt es Bemessungsgrundlagen, die in der Norm und ATV-Arbeitsblättern geregelt sind. Jetzt entwickelt sich zunehmend der Trend, Rückhalteräume auf dem Dach zu realisieren – was sich bei einem statisch stabilen Null-Grad-Dach mit Dachbegrünung anbietet.
Für Dachflächen sind hier die in der DIN 1986-100:2008-05 geforderten Überflutungs- und Überlastungsnachweise zu erbringen.
Flachdachentwässerung in „Slow-Motion“
Retention kann den natürlichen Wasserhaushalt entschleunigen und dazu beitragen, extreme Regenwasserspenden in geregeltere Bahnen zu lenken.
Retention, als Antwort auf die Herausforderungen des Klimawandels, wird auch zunehmend bei den Herstellern von Dachentwässerungssystemen nachgefragt. Aber auf die Frage, wie man dieses System für das individuelle Flachdach auslegt, gibt es heute noch keine konkreten Richtlinien, Normen oder Berechnungssysteme, also kein normiertes System.
Die „Sita Retention“
Um eine Kalkulationsbasis für die sichere Auslegung einer Retentionsentwässerung zu erhalten, entwickelte der Hersteller für Dachentwässerungssysteme Sita daher ein eigenes Berechnungsverfahren. Das Gesamtregen-Entwässerungssystem wird hierbei in ein Haupt- und ein Notentwässerungssystem aufgeteilt. Die Berechnung basiert auf der Gleichung 20 der DIN 1986-100. Nach dieser Gleichung, die die Bemessung von Rückhalteräumen definiert, wird das Regenrückhaltevolumen für die Regenspende in l/(s∙ha) der Dauerstufe D in der Jährlichkeit von fünf beziehungsweise 100 Jahren berechnet. Die Dauerstufe D geht von fünf Minuten bis 72 Stunden oder 4320 Minuten aus. Über die gesamte Bandbreite der örtlichen Regendaten des Deutschen Wetterdienstes wird das größtmögliche Volumen, das auf eine zu planende Dachfläche auflaufen kann, ermittelt – denn rein statistisch kommt ein 5-minütiges Regenereignis genauso häufig vor, wie ein 72-stündiges Jahrhundertregenereignis. Davon abgezogen wird ein gewisser Drosselabfluss, bestimmt durch das eigens neu entwickelte Bauteil „SitaMore Retention“. Je nach Aufgabenstellung ist dieses Retentionsmodul mit mehr oder weniger Ablauföffnungen versehen. Je weniger Bohrungen, desto mehr Wasser wird gedrosselt, also zurückgehalten und erst zeitverzögert abgeführt. Das Rückstauvolumen lässt sich somit gezielt auf die Einleitungsbeschränkungen der Gemeinde abstimmen. Liegt zum Beispiel die Beschränkung vor, dass nur ein Liter pro Sekunde von der Dachfläche eingespeist werden darf, wird der Rest der zu erwartenden Regenspende oben auf dem Dach zurückgespeichert. Gerechnet wird immer mit dem größten zu erwartenden Regenrückhaltevolumen der Dauerstufe. Das erforderliche Speichervolumen wird aus der maximalen Differenz der in einem Zeitraum gefallenen Niederschlagsmenge und dem in diesem Zeitraum über die Drossel weitergeleiteten Abflussvolumen ermittelt. Sita definiert für ihr Kalkulationsverfahren, dass pro 400 m2 Dachfläche mindestens ein Dachablauf einzuplanen ist und dass der Abstand der Dachabläufe untereinander nicht mehr als 20 Meter betragen sollte. Darüber hinaus ergibt sich bei der Berechnung des Regenrückhaltevolumens ein Wasseranstau, der nach Überlegung der Sita-Experten in der Regel nicht mehr als 40 mm betragen sollte. Da die Regendauer in der Regel größer als 15 Minuten ist, fließt der Abflussbeiwert von C = 1,0 in die Rechnung ein.
Sicherheitspuffer Notablauf
Die Wichtigkeit der Notabläufe sollte nicht unterschätzt werden. Gemäß der DIN 1986-100 muss: „Jede Dachfläche beziehungsweise jeder durch die Dachkonstruktion vorgegebene Tiefpunkt über eine Notentwässerung verfügen. Bei planmäßig vorgesehener Regenrückhaltung auf dem Dach kann auf eine Notentwässerung verzichtet werden.“ Der Kommentar zur gleichen Norm konkretisiert diesen Absatz in Punkt 5.9: „Nur bei planmäßig vorgesehener Regenrückhaltung auf Flachdächern in Massivbauweise, die dafür statisch berechnet sind, kann auf eine Notentwässerung verzichtet werden. Dabei sollte die Dachkonstruktion einen Einstau bis zur Attikahöhe aufnehmen können.“ Allerdings heißt es auch im Kommentar zur DIN 1986-100 im Punkt 14.9.4: „Jeder Rückhalteraum, beziehungsweise jedes Rückhaltebecken muss einen Notüberlauf haben“. Zum Schutz der Begrünung und des gesamten Gebäudes empfiehlt Sita immer den Einsatz einer funktionierenden Notentwässerung. Bei der Retentionslösung fließt diese zusätzliche Sicherheitskomponente mit ein.
Auch bei der Betrachtung der Notüberläufe wird die Gleichung 20 genutzt, jedoch nicht mit der Jährlichkeit von fünf Jahren, also nicht mit einem 5-Jahresregen, sondern mit dem Jahrhundertregen. Über die gesamte Bandbreite der Dauerstufen, wieder von fünf Minuten bis zu 4320 Minuten, wird dann das Regenrückhaltevolumen und damit auch die Anstauhöhe für die Notentwässerung bestimmt. Bei der Berechnung der Notabläufe kommt ein vereinfachtes Berechnungssystem zum Einsatz, das auf den „worst case“ ausgelegt ist. Bei dieser Betrachtungsweise geht man davon aus, dass das Hauptentwässerungssystem überlastet ist und darüber kein Wasser mehr abläuft, dass die Ablaufleistung des Hauptentwässerungssystems gleich null ist.
Produkte zum Berechnungsverfahren
Realisiert wird die geregelte Regenrückhaltung mit dem neu konzipierten Bauteil „SitaMore Retention“. Dieses Drosselmodul aus Edelstahl kommt je nach Einsatzbereich mit mehr oder weniger Ablauföffnungen zum Einsatz. Dank einer umlaufenden 3-lippigen Dichtung lässt es sich schnell und sicher in den Gullytopf einfügen. Kompatibel ist das Drosselmodul mit dem „SitaTrendy“ aus PUR oder dem „SitaMulti“ aus Gusseisen. Die Aufgabe der Notentwässerung übernimmt der „SitaIndra“, der durch hohe Ablaufleistung und extrem flache Bauweise überzeugt. Durch die Kombination von Berechnungsnorm, Berechnungsservice und geprüften Produkten ergibt sich ein neuartiger Ansatz, das Thema Retention ganzheitlich anzugehen und systematisch in der Praxis zu realisieren.
Pro 400 m2 Dachfläche wird mindestens ein Dachablauf eingeplant
Laut DIN muss jede Dachfläche über eine Notentwässerung verfügen