Schornsteinarchitektur mit Dreh

Schornsteinbauten sehen wir am liebsten von Weitem. Niemand will einen Schornstein in der Nähe seiner Wohnung haben. Und mit Architektur haben die Schlote zu 99 Prozent der Fälle nichts zu tun. Ganz anders der Schieferschornstein der zentralen Energieversorgung des Stadtkrankenhauses Triemli in Zürich.

Mitten in der Stadt gelegen, mussten sich die Planer etwas einfallen lassen. Das bemerkenswerte Konstrukt beschreiben die Architekten Aeschlimann Hasler Partner in der typischen Architektensprache unter anderem so: „Der klassische Kamin mit kreisrundem Grundriss wird durch eine um 270 Grad drehende, ellipsoide Grundfläche variiert. Damit wird eine je nach Standort verschieden erscheinende Figur erzeugt, die sowohl dem klassischen Bild als auch dem vielfältigen Körper verpflichtet ist. Der Kamin wird aber immer noch als typische Form wahrgenommen.“

Elegant unvollendet

Der 46,25 m hohe Schornstein besteht aus 31 jeweils 1,49 m hohen Mantelrohr-Segmenten, auf denen ellipsenförmige Fachwerkträger der Schornsteinaußenhülle aufliegen. Diese Fachwerkträger sind zueinander um jeweils 8,7 Grad verdreht, wodurch der Schornstein seine dynamische Form erhält. Die elliptischen Fachwerke sind alle gleich. Sie werden jedoch auf Anhieb als solche nicht erkannt, weil die Architekten das Konstrukt, statt um 360 Grad nur um 270 Grad drehen, wodurch es unvollendet bleibt und sich die Gestaltungsidee damit einer spontanen Entschlüsselung entzieht. Der Schornstein wird als dynamisches Gebilde wahrgenommen, das ähnlich einer Windhose, an verwirbelte aufsteigende Luft erinnert.

Brandsichere Schieferhülle

Die Basis für eine solche Bauwerksidee schuf Rathscheck Schiefer 2012 mit der Vorstellung einer nicht brennbaren Schieferfassade, bei der die Schiefersteine mit speziellen Schrauben auf Metall geschraubt werden.

Die nicht brennbare Außenhaut des Züricher Schornsteins ist aus 3 mm dicken feuerverzinkten Blechen. Die Handwerker der Gadola Fassaden AG aus Oetwil am See bogen die Bleche ellipsenförmig in der Schornsteingeometrie vor und montierten sie mit 2 cm Abstand zueinander an den Fachwerkträgern. Mit den großen Fugen zwischen den Blechtafeln werden die Temperaturausdehnungen des Schornsteins ausgeglichen. Auf den Blechen fixierten die Handwerker Schiefersteine (Spitzwinkel 30 x 20 cm) von Rathscheck mit jeweils zwei Edelstahlschrauben (4,2 x 25 mm). Die Konstruktion wurde von der EMPA (Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt in Dübendorf/CH) geprüft. Dabei wurde festgestellt, dass die maximal zulässige Belastung weit über der tatsächlich vorhandenen Last liegt, die Konstruktion also sehr sicher ist.

Die dekorative Deckung mit Spitzwinkeln wird an diesem Schornstein immer nur auf einer Blechtafel befestigt, nie über zwei Tafeln hinweg, um keine Temperaturspannungen in den Schieferstein einzuleiten. Der Umfang des Schornsteins ist an allen Punkten gleich, sodass die Aufteilung der Schieferbekleidung an allen Stellen ebenfalls gleich ist. So ist die Schieferdeckung für sich eigentlich recht einfach.

Das Bauwerk ist mit 35 000 Spitzwinkelschablonen bekleidet. Dafür mussten 70 000 Bohrungen und ebenso viele Verschraubungen mit 4,2 x 25-mm-V4A-Schrauben ausgeführt werden. Gut organisiert wurde der Schornstein in nur 60 Tagen mit Schiefer bekleidet.

Zur weiteren Integration des Schornsteins in das städtische Umfeld wurden etwa einen Meter unter der Oberkante des Schornsteins in die Schieferdeckung sechs Einflugöffnungen für Mauer- und Alpensegler eingebaut. Dahinter haben die Planer Nisthöhlen bauen lassen. So ist sichergestellt, dass der schöne Schornstein auch liebenswerte Tierbewohner findet.

Autor
Gerd Halama ist Baufachjournalist mit Agentur in Bremen und betreut den Hersteller Rathscheck bei der Pressearbeit.

70 000 Bohrungen und ebenso viele Verschraubungen waren für die Schiefertafeln nötig

Bautafel (Auswahl)

Projekt Schornstein Stadtspital Triemli,

CH-8063 Zürich

Bauherr Stadtspital Triemli,

vertreten durch Stadt Zürich

Architekt    Aeschlimann Hasler Partner Architekten AG, CH-8045 Zürich, www.ahp-architekten.ch

Schornsteinplanung dsp Ingenieure & Planer AG, www.dsp.ch

Fassadenbauer Gadola Fassaden AG,

CH-8618 Oetwil am See, www.gadola-bau.ch

Schiefer Spitzwinkel-Deckung InterSIN 30 x 20 cm, Rathscheck Schiefer, 56727 Mayen-Katzenberg, www.rathscheck.de

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