Museumsdach wird sturmsicher
Das Dach des Museums für hamburgische Geschichte wurde 2007 komplett saniert. Wenige Jahre später fielen einige Dachziegel in den Innenhof, woraufhin ein Gutachter mit der Schadensfeststellung beauftragt wurde. Daraufhin mussten 6000 m2 Dachziegel umgedeckt und mit einer Sturmsicherung versehen werden.
Sind Dachflächen unzureichend oder fehlerhaft sturmgesichert, werden die Gebäudeeigentümer oft erst durch herabfallende oder laut im Wind klappernde Dachziegel darauf aufmerksam. Solche Probleme treten immer dann wieder auf, wenn bei einer vorhergehenden Neueindeckung entweder die notwendige statische Berechnung nicht den Anforderungen entsprach, falsche und/oder nicht geeignete Sturmklammern verarbeitet wurden oder wenn nicht nach dem vorgeschriebenen und vorhandenen Verlegeschema gearbeitet wurde. Ein weiterer oft festgestellter Fehler liegt darin, dass eine falsch bemessene Dachlattung und/oder falsche Lattenabstände vom Dachhandwerker ausgeführt wurden. Die genannten Punkte trifft man bedauerlicherweise immer wieder an, obwohl es jedem Handwerker bewusst sein sollte, dass eine daraus resultierende Dachsanierung eine hohe Schadenssumme ergibt, die auch alteingesessene Betriebe in den Konkurs treiben können. Denn in solchen Fällen kommt es oft unweigerlich zu einem Gerichtsverfahren, das sich nicht nur lange hinzieht, sondern auch zusätzliche Kosten verursacht. Allein schon aus diesem Grund ist jedem Dachhandwerker anzuraten, die gemäß dem aktuellen Regelwerk vom Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) ermittelten Klammerbereiche, Sturmklammern und Lattenabstände zu beachten. Welche aufwendigen Maßnahmen notwendig werden können, falls diese Handwerksregel nicht beachtet wird, zeigt das Beispiel der Dachsanierung des Hamburgmuseums der Hansestadt Hamburg.
Historisches Museum für Hamburgische Geschichte
Das Museum für hamburgische Geschichte, auch als Hamburgmuseum bezeichnet, wurde 1908 gegründet. Es bietet einen Überblick der Hamburger Geschichte von etwa 800 bis zur Gegenwart. Mit seinen Außenstellen ist es das größte städtehistorische Museum Deutschlands. Das imposante Backsteingebäude mit seiner markanten Dacharchitektur wird mit einem Turm über dem Haupteingang gekrönt, der optisch einem Leuchtturm nachempfunden ist. Der Hamburger Architekt Fritz Schumacher baute es zwischen 1914 und dem Eröffnungsjahr 1922. Im Jahre 1989 erhielt der Innenhof – zum 800sten Hafengeburtstag – eine Glasüberdachung, konzipiert vom Architekten Prof. Volkwin Marg.
Zwei tonnenförmige Netzkuppeln überspannen 14 m beziehungsweise 17 m. Die Feldelemente aus Flachstäben mit vorgespannten Diagonalseilen sind mit Sonnenschutzglas einfach verglast. Das Dach kann auch bei Schneelast beheizt werden. Der Übergang vom Glasdach zum Gebäude schließt an der Traufe des Ziegeldaches nicht dicht ab. Man wollte damit ein ausgleichendes Innen- und Außenklima sicherstellen.
Die Firsthöhe der imposanten Dacharchitektur beträgt maximal 28 m. Abhängig vom Gebäudetrakt gibt es Walmdächer über den kleineren Gebäudebereichen und Satteldächer in den lang gestreckten Bereichen. Zudem gibt es noch einen Bereich mit einem Mansarddach. Die Dachneigungen variieren in Abhängigkeit vom Gebäudeteil; bei den Walmdächern liegt sie zwischen 36 und 58 Grad, das Satteldach besitzt eine Neigung von 52 Grad und das Mansarddach eine Neigung von 80 Grad. Die Glaskuppel über dem Innenhof ist bogenförmig ausgeführt. In einigen Dachbereichen gibt es Fledermausgauben.
Dachsanierung
In den Jahren 2005 bis 2007 wurde die gesamte Dachfläche komplett saniert und mit Meyer-Holsen Hohlfalzziegel Typ Vario Altstadt eingedeckt. Die Ausführung sollte dem damals gültigen Regelwerk vom Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) entsprechen. Nachdem im Jahre 2010 einige Dachziegel vom Dach in den Innenhof heruntergefallen waren, bestand die Gefahr von Personenschäden bei wiederholten Dachziegelabstürzen.
Der heutige Eigentümer der Gebäude, die IMPF Hamburgische Immobilien Management Gesellschaft mbH, Hamburg, beauftrage aufgrund der Absturzgefahr einzelner Dachziegel einen Sachverständigen mit der Feststellung der Schadensursache. Die Expertise des Gutachters ergab, dass eine wirksame und fachgerechte Windsogsicherung – selbst nach den 2005 geltenden Fachregeln des ZVDH (sie entsprechen den „anerkannten Regeln der Technik“) – nicht gegeben war. Er stellte bei seiner Untersuchung fest, dass offensichtlich nur partiell Sturmklammern eingebaut und in Teilbereichen angeordnet waren. Zudem entsprachen auch die Abmessung und der Lattenabstand nicht den seinerzeit gültigen Fachregeln.
Aufgrund dieser Feststellungen durch den Gutachter entschloss sich die IMPF, um möglichen Unfällen durch herabfallende Ziegel entgegen zu wirken, die komplette rund 6000 m² Dachfläche – sie besteht aus rund 60 Teilflächen – entsprechend den aktuellen Fachregeln zu sanieren. Da die vorhandenen Dachpfannen selbst noch voll funktionsfähig sind, entschloss man sich zu einer Umdeckung mit diesen Dachziegeln. Diese baulichen Maßnahmen wurden landesweit ausgeschrieben, den Zuschlag erhielt MHT Baugesellschaft mbH aus Bülow.
Für jeden Bereich eine unterschiedliche Klammerung
Die IMPF fragte beim Unternehmen Friedrich Ossenberg-Schule GmbH + Co KG (FOS) wegen einer Fachberatung zur Windsogsicherung an. Um für die Ausschreibung die notwendigen Daten einer den aktuellen Fachregeln entsprechenden Ausführung zu erhalten, wurde ein statische Berechnung durch das Ingenieurbüro Schulte + Krüger (Gevelsberg) vorgenommen.
Die statische Berechnung wurde nach DIN 1055 und dem Regelwerk des Zentralverbandes des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) als Einzelfallberechnung ausgeführt. Das Gebäude steht in Hamburg und liegt somit im Windzonenbereich 2.
Nach dieser statischen Berechnung wird im Großteil der Dachflächen jeder zweite Dachziegel mit der Seitenfalzklammer 456 von FOS gesichert. Im Kehlen- und Ortgangbereich wird auf einem jeweils einen Meter breiten Streifen jeder Dachziegel mit der Seitenfalzklammer 409 von FOS gesichert. Die Mansarddachflächen sind entsprechend den Fachregeln für Außenwandbekleidungen auszuführen. Unter der Glaskuppel über dem Innenhof ist keine Klammerung notwendig.
Für die Bereiche um Dachgauben und Kamine gelten ebenfalls die Werte des Ortgangs. Das gilt auch für die Dachflächen auf den Gauben. Die Streifenbreite des Bereichs bestimmt sich aus der halben maximalen Grundrissabmessung der Gaube beziehungsweise der Kamine. Sie beträgt mindestens 1,0 m, maximal 2,0 m und wird immer auf die volle Dachziegelreihe aufgerundet.
Da die vorhandenen Dachziegel noch voll funktionsfähig sind, wurden von den Dachdeckern die Dachflächen immer partiell abgedeckt, die alte Lattung entfernt, soweit notwendig die winddichte Deckschalung erneuert, neue Dachlatten mit 40/60 mm S10 eingebaut und anschließend die Hohlfalzziegel mit den FOS Sturmklammern 409 beziehungsweise 456 gesichert.
Von Beginn an die Fachregeln beachten
Eine solch kostenintensive Sanierung wäre nach der kurzen Liegezeit der Neueindeckung nicht notwendig geworden, hätte seinerzeit der Dachdecker seine Ausführung genau den Fachregeln entsprechend ausgeführt. Sowohl für Planer wie auch für Handwerker ist wichtig, sich vor Baubeginn über die gültigen Normen und Fachregeln zu informieren. Das Unternehmen Friedrich Ossenberg-Schule gibt entsprechend ausführliche Hinweise auf seiner Internetseite unter www.fos.de oder in der persönlichen Beratung.
Autor
Hans Jürgen Krolkiewicz ist Sachverständiger, Buchautor, lebt in Köln und publiziert als freier Journalist Themen aus dem Baubereich.
Jedem Dachhandwerker ist anzuraten, Sturmklammern gemäß dem aktuellen Regelwerk zu verwenden
Bautafel (Auswahl)
Objekt Dachsanierung Museum für Hamburgische Geschichte, 20355 Hamburg
Bauherr IMPF Hamburgische Immobilien Management
Gesellschaft mbH, 22297 Hamburg
Bauleitung Dipl.-Ing. Architekt Joachim Fast, IMPF
Statische Berechnung Schulte + Krüger Partnerschaft,
berat. Ing., 58285 Gevelsberg
Dachdecker MHT Baugesellschaft mbH, 18276 Bülow