Lehrreich: Holz in der Stadt
Der Neubau der Mensa und des Hortgebäudes der Freien Waldorfschule Berlin-Mitte wurde als Anbau an eine denkmalgeschützte Schule (Reformbau der 1950er Jahre) realisiert. Der Bauherr entschied sich aus energetischen aber auch statischen Gründen für einen Holzbau aus massivem Brettsperrholz.
Die Freie Waldorfschule Mitte ist eine einzügige Gesamtschule mit 390 Schülern. Die Schüler besuchen die Schule von der ersten bis zur 13. Klasse. Die Schule wurde von Lehrern und Eltern im Jahre 1990 auf dem ehemaligen Mauerstreifen gegründet und befindet sich seit 2002 an dem jetzigen Standort in Berlin Mitte unweit des Hackeschen Marktes.
Seid 2005 ist die Schule eine verlässliche Halbtagesschule. Jedoch wurde auch schon vorher durch einen Cateringbetrieb geliefertes Essen im Hort und in der Schule angeboten.
Das Gebäude – die architektonische Aufgabe
Der Wunsch nach einer eigenen Küche mit frisch zubereiteten Speisen und einem Speiseraum als einem Ort, an dem das gemeinsame Essen als wichtiger Bestandteil der Schulgemeinschaft erlebt werden kann, brachte die Bauaufgabe für eine Mensa hervor. Ein zur Küche offener Speiseraum stellt die gewollte Verbindung zur Speisenzubereitung her. Unterschiedliche Bereiche innerhalb der Mensa bieten verschiedene Atmosphären zum Sitzen und Essen an.
Die Klassen sieben bis neun nehmen Ihr Essen in den Räumen der Mensa ein, für die Klassen eins bis vier wird in der Küche mitgekocht, die Schüler essen jedoch in ihren Hortgruppenräumen.
Die Horträume der ersten Klasse befinden sich im ersten Obergeschoss des Neubaus und haben über eine Außentreppe einen direkten Zugang zu dem dieser Altersgruppe zugeordneten Außenspielfläche im Garten. Im zweiten OG befindet sich der Hort der 5. und 6. Klasse. Dieser Bereich hat seinen Außenbezug durch eine Loggia, die in den Baukörper eingeschnitten ist.
Als einziger Baukörper des Schulgebäudes direkt an der Straße bildet der Neubau eine Schnittstelle zwischen Schule und umgebendem Stadtraum. Durch die großflächige Verglasung des Speiseraums und die Gestaltung der Fenster der Horträume wird der Neubau als besonderer Baukörper wahrgenommen, der sich gleichzeitig gut in den Straßenraum der Steinstraße einfügt.
Warum ein Holzbau?
Das Gebäude ist, außer dem Keller, überwiegend in Massivholzbauweise, als hohlraumfreie Konstruktion aus kreuzweise verleimtem Brettsperrholz errichtet. Der Bauherr entschied sich aus mehreren Gründen für den Baustoff Holz:
Priorität hatte, dass mit Holz ein nachwachsender Baustoff verwendet wird, der CO2 gebunden hat und dessen raumklimatische und auch ästhetische Wirksamkeit hier ausdrücklich gewünscht war.
Zudem gab es auch bautechnische und energetische Gründe für die Verwendung des Baustoffes. Mit nur 36 cm Gesamtwandstärke kann hier für die Wände ein U-Wert von 0,18 W/m2K erreicht werden. So wird also die nutzbare Innenraumfläche durch die geringe Wandstärke vergrößert.
Das verleimte Kreuzlagenholz ist zudem statisch höchst wirksam und erlaubt großzügige Öffnungen. Es werden durch die Holzbauweise auch Wärmebrücken minimiert, so dass Auskragungen und Rücksprünge ohne thermische Trennungen ausgeführt werden können. So konnten die Decken am Rücksprung an der Außentreppe sowie an der Loggia ohne Entkopplung von innen nach außen geführt werden.Sämtliche Wände bestehen aus Kreuzlagenholz in der Stärke 16,5 cm. Die gemäß Brandschutzkonzept geforderte Kapselung K 30 wurde durch das außenliegende 17 cm starke mineralische Wärmedämmver-
bundsystem erzielt. Von innen wird diese Brandschutzanforderung durch eine 18 mm starke Gipsfaserplatte erreicht.
Gegen Feuer gekapselt
Die Decken und das Dach bestehen aus Brettstapelholzelementen die mittig auf einem Stahlträger und Stahlstützen aufliegen. Dadurch gibt es kaum statisch wirksame Innenwände und eine gewünschte spätere Umnutzung des Gebäudes bleibt so erhalten.
Die Decken sind unterseitig ebenso wie die Wände mit einer Gipsfaserplatte gekapselt. Oberseitig ist ein Anhydritestrich auf einem mineralischen Fußbodenheizungssystem aufgebracht worden. Das Dach ist ebenfalls mit einer mineralischen Dämmung von außen gedämmt.
Nach den Ausführungsplänen des Statikers Jens Liebig erstellte die Firma Moser Holzbau aus Hirschfeld Werkstattzeichnungen, die von den Architekten geprüft und gemeinsam hinsichtlich Materialeinsparungen und Wahl der Verbindungsmittel optimiert wurden. Gerade die Verbindungsmittel aus Stahlbauteilen und die dafür vorzusehenden Brandschutzmaßnahmen spielen bei vorgefertigten Holzbauweisen auch mit Blick auf die Baukosten eine große Rolle.
Montage ohne Hindernisse
Die Montage vor Ort erfolgte nach einem vom Zimmererbetrieb erstellten Montageplan. Bei solchen innerstädtischen Montagen sind die Wahl der Kranart und der mögliche Aufstellort für den Kran wesentlich. Das ist nicht immer einfach, jedoch stand bei diesem Projekt ausreichend Platz auf dem Grundstück zur Verfügung.
Ein weiteres Argument des Bauherrn für den Werkstoff Holz war, neben den Aspekten der Nachhaltigkeit, die Schnelligkeit des Bauens, die durch die Holzbauweise mit hohem Vorfertigungsgrad gegeben war. Der Rohbau der oberirdischen Geschosse konnte innerhalb von zwei Wochen errichtet werden. Die Innenausbauarbeiten dauerten dann nochmals 18 Wochen. So wurde der enge Zeitplan eingehalten und das Gebäude bis Ende 2010 fertig gestellt. Der Fertigstellungstermin war ein Kriterium für die Auszahlung der Fördermittel des Konjunkturpaketes II.
Brandschutz: F 60 war gefordert
Fast alle Wände und Decken aus Massivholz mussten aufgrund der Einstufung des Gebäudes in die Gebäudeklasse 4 in der Brandschutzanforderung F 60 ausgeführt werden. Das bedeutet, dass zusätzlich zur Anforderung an die ausreichend lange Standzeit von 60 Minuten für die Holzwände die Holzbauteile gemäß Brandschutzgutachten zusätzlich 30 Minuten dem Feuer ausgesetzt sein können ohne dass sie zu brennen beginnen. Sie müssen entsprechend dieser Anforderung brandschutztechnisch bekleidet werden. Dies wurde durch eine die Bekleidung mit Gipsfaserplatten erzielt. Allerdings konnten die Wände der ebenfalls aus Massivholz hergestellten aussteifenden Sanitärkerne entgegen dieser Brandschutzanforderungen unverkleidet bleiben. Gemeinsam mit Brandschutzgutachtern und Prüfern wurde hier eine Abweichung von der Bauordnung erzielt, da die Brandlasten durch die im Vergleich zum gesamten Gebäude relativ geringer Flächenanteil dieser Wände als zu vernachlässigende Brandlast eingestuft wurden. So ist die Holzkonstruktion wenigstens an diesen Stellen ablesbar.
Holzbau ist prädestiniert für
innerstädtische Bildungseinrichtungen
Planen und Bauen mit Holz ist nachgewiesener Weise für Bauaufgaben für Kinder prädestiniert und auch von einigen Bundesländern aus diesem Grund und auch hinsichtlich der guten energetischen Eigenschaften zum Beispiel für Kindergärten geradezu gewünscht.
Eine Holzbaustelle im innerstädtischen Kontext ist sehr schnell abgewickelt und minimiert so auch die Belastung durch Lärm und Staub auch für die angrenzenden Bewohner und wie hier im Falle eines Anbaus auch für die Nutzer selbst. Da sämtliche Elemente komplett vorgefertigt auf die Baustelle kommen, muss jedoch ein längerer Planungsvorlauf sowie Zeit für das Erstellen der Werk- und Montagezeichnungen berücksichtigt werden.
Auch eine sehr frühzeitige Abstimmung aller beteilig-
ten Planer, wie dem Tragwerksplaner, dem Haustechnikplaner, dem Brandschutzgutachter und dem Architekten, entscheidet über die Wirtschaftlichkeit des Bauens mit Holz.
Autorin
Susanne Scharabi ist Architektin und immer wieder vom Baustoff Holz mit seinen viele positive Eigenschaften fasziniert. In Berlin konnte Sie bereits 2009 das Holzbauprojekt „Wohnen an der Barnimkante“ verwirklichen.
Der nachwachsende Rohstoff Holz war der Hauptgrund für diese Bauweise
Bautafel (Auswahl)
Projekt Neubau Mensa und Hortgebäude der Freien Waldorfschule Berlin-Mitte,
Weinmeisterstraße 16
Baukosten (Kostengruppe 300 und 400)
1 150 000 Euro brutto
Bruttogrundfläche 640 m2
Bauherr Verein Freie Waldorfschule
Berlin-Mitte e.V.
Architektin Architekturbüro Susanne Scharabi, Berlin
Tragwerksplaner Dipl.Ing. (FH) Jens Liebig,
Berlin
Brandschutz Leibenatus Stochburger Wittayer, Architekten und Ingenieure, Berlin
Holzbau Moser Holzbau KG, Hirschfeld
Fensterbau Fenster- und Fassadenbau Rommel, Großbodungen