Die restaurierte Stahldachkonstruktion des Salzburger Hauptbahnhofs

Als ein wichtiger Bahnknotenpunkte Österreichs wurde der Salzburger Hauptbahnhof in den letzten Jahren umfassend saniert und umgebaut. Das Dach ist eine Kombination aus moderner Tragkonstruktion und Abdichtungstechnik und einer denkmalgeschützten komplett restaurierten Stahldachkonstruktion.

Neben den drei Eisenbahnlinien München-Salzburg, Salzburg-Wien und Salzburg-Triest sollte der neue Bahnhof die Salzburger Lokalbahn mit aufnehmen. In die neue Bahnsteigüberdachung mit einer Fläche von 16 000 m2 wurde eine vorhandene historische und denkmalgeschützte Stahlkonstruktion berührungsfrei integriert. Insgesamt ruht das neue Dach auf einer schlanken Konstruktion mit Stützweiten von bis zu 56 m. Das erforderte passende statische Systeme. Auch führte man Windkanalversuche zur Schwingungsanfälligkeit des Daches durch. Zudem sorgen insgesamt über 100 verschiebbare beziehungsweise verdrehbare Lager für die notwendige Tragfähigkeit der filigranen unterspannten Bogenkonstruktion. Das Dach selbst besteht aus einem Materialmix aus Glas, Stehfalz und pneumatischen Luftkissen. Angesichts der zu erwartenden Schneelasten wurde die Druckluftsteuerung der Folienkissen so ausgeführt, dass sie variabel an die jeweilige Schneelastsituation anzupassen ist.

Leichter Dachaufbau

Überall da, wo weder Luftkissen noch Glas zum Einsatz kamen, erstellten die Fachhandwerker der JNS Dachtechnik GmbH aus Feldkirchen im Auftrag des österreichischen Stahlbauunternehmens Zeman & Co. GmbH aus Wien den geplanten Dachaufbau über den Gleisen. Auf die von Zeman in drei Bauabschnitten aufgestellte Tragkonstruktion verlegte man zunächst Stahltrapezbleche als flächige, selbsttragende Ebene. Der bituminösen Dampfsperre, direkt auf den Trapezblechen verlegt, folgt eine Dämmstofflage aus 80 mm Mineralwolle. Als obersten Abschluss erstellten die Dachhandwerker eine Falzeindeckung. In einigen Bereichen des Daches, vor allem im Übergang zu den Folienkissen oder Glasabdeckungen kamen als oberster Abschluss Alucobond-Platten zum Einsatz.

Dynamische Formen

Neben vielen geraden Flächen waren es vor allem die dreidimensional geschwungen, die den Fachhandwerkern ihr ganzes Können abverlangten. Insbesondere die Anschlüsse an die Bereiche mit Luftkissen oder Glas waren sorgfältig und exakt auszuführen. Neben der Abdichtung war seitens JNS Dachtechnik auch das Entwässerungssystem für die gesamte Dachfläche auszuführen. Hierfür ordneten die Dachhandwerker mehrere innenliegende Rinnen mit einer Gesamtlänge von 860 m im Längsverlauf des Daches an.

Innenliegende Kastenrinnen

Alle als Kastenrinnen ausgeführten Rinnen sind 1 m breit, die längste von ihnen misst 300 m. Die Abdichtung der Rinnen erfolgte mit der Dachbahn „Rhenofol“ von FDT. Das Dachbahnensystem basiert auf dem Rohstoff Polyvinylchlorid weich (PVC-P). Als witterungs- und UV-beständige Dachbahn erfüllt es alle Anforderungen, die an eine moderne Abdichtung gestellt werden. Äußerst flexibel in der Handhabung lässt sie sich unter Auflast lose verlegen oder mechanisch befestigen. Nicht selten kommt das Dachbahnsystem im Gewerbe- und Industriebau zum Einsatz. Entsprechend sind Bahnen, Formteile und Zubehör besonders beständig gegen Industrie- und Heizungsabgase. Als System kombiniert „Rhenofol“ produktspezifischen Eigenschaften mit hoher Alterungsbeständigkeit und Langlebigkeit, was zu langfristig dichten und damit auch wirtschaftlichen Dachabdichtungen führt.

Verstärkte Kunststoff-Dachbahn

„Rhenofol“-Bahnen werden den jeweiligen Anwendungen und Dachaufbauten entsprechend mit Synthesefäden verstärkt als „Rhenofol CV“ oder mit Glasvlieseinlage als „Rhenofol CG“ angeboten. Die fachgerechte Fügung der Bahnen untereinander erfolgt mittels Quell- oder Heißluftschweißen. Natürlich ist die Abdichtung im System auch widerstandsfähig gegen Flugfeuer und strahlende Wärme (DIN 4102). Ein breites Programm an Systemzubehör unterstützte die Handwerker bei der fachgerechten Detailausbildung.

Zubehör erleichtert die Fertigung

Für die Ausbildung der Kastenrinnen auf dem neuen Dach des Hauptbahnhofs nutzten die Fachhandwerker kaschierte Verbundbleche aus dem Zubehörprogramm, um die Rinnenwände sauber auszubilden. Auf diese Weise konnte auch der Übergang zu den Falzdachflächen fachgerecht ausgeführt werden. Alle Gullys wurden zusätzlich mit einer Gullyheizung ausgestattet, um im Winter den vereisungsfreien Ablauf zu ermöglichen. Denn über die innenliegenden Rinnen wird das anfallende Oberflächenwasser des gesamten rund 24 000 m2 großen Daches abgeleitet.

Am Dachrand wurden statt der 80 mm dicken Dämmung Mineralwolle-Dämmplatten in 30 mm Dicke montiert. Sie wurden anschließend mit einer speziellen Aluminium-Dachkante verkleidet.

In insgesamt drei Bauabschnitten wurde das neue Dach über den Gleisanlagen des Salzburger Hauptbahnhofes errichtet. Neben den üblichen Sicherheitsvorkehrungen, die bei Dacharbeiten zu berücksichtigen sind, kam beim Umbau in Salzburg hinzu, dass alle Arbeiten bei laufendem Bahnhofsbetrieb mit 25 000 Reisenden und 500 Zügen pro Tag auszuführen waren.

Autor
Sven-Erik Tornow ist Baufachjournalist und betreibt die Agentur Flüstertüte in Köln.

Alle Gullys sind mit einer Gullyheizung ausgestattet, um im Winter einen vereisungsfreien Ablauf zu ermöglichen

Berücksichtigung von Tradition und

Moderne

Dem Umbau des Salzburger Hauptbahnhofs ging eine weitreichende und zeitlich mehrere Jahrzehnte umfassende Planungs-, Diskussions- und Konzeptphase voraus. Bereits in den 1980er Jahren begann man mit ersten Vorüberlegungen zum Umbau des 1890 unter der Leitung von Rudolf Bayer errichteten Bahnhofs. In den 1990ern folgte die Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes, 1999 gab es einen Architekturwettbewerb für den gesamten Bahnhof, dessen Siegerentwurf von kadawittfeldarchitektur aus Aachen vor allem einen urbanen Prozess in Gang setzte. Denn mit dem Entwurf sollten Bahnhof und Bahnhofsviertel stärker in das städtische Umfeld eingebunden werden. Bis zum tatsächlichen Baubeginn dauerte es jedoch weiterhin, da denkmalpflegerische Aspekte und Bürgerbegehren zu berücksichtigen waren. Am Ende stand nach intensiver und enger Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt eine zukunftsfähige Version, die Tradition und Moderne gleichermaßen berücksichtigt. Mitte 2014 waren alle Arbeiten abgeschlossen. In der gesamten Bauphase wurden alle Arbeiten bei gleichzeitigem Eisenbahnbetrieb ausgeführt.

Historische Tonnendachkonstruktion

Ein eigenes, unter Denkmalschutz stehendes Bahnsteigdach am Hauptgebäude wurde im Zuge der Umbauarbeiten von Zeman & Co GmbH (Wien) restauriert. Die über 100 Jahre alten, denkmalgeschützten Tonnendächer wurden so in das neue Gesamtdach integriert, dass sie architektonisch und statisch eigenständig bleiben.

Hierfür wurde die 300 Tonnen schwere Konstruktion der Tonnendächer in Einzelteile zerlegt, in ein Stahlwerk transportiert, dort saniert und anschließend etwas versetzt am Salzburger Hauptbahnhof wieder aufgebaut. Anschließend wurde diese historische Konstruktion in die neuen Bahnsteigdächer so eingefügt, dass sich die schlanke Konstruktion berührungsfrei an die Tonnendächer anschmiegt. Obersten Abschluss der historischen Tonnendachkonstruktion bildet eine moderne leichte Membraneindeckung. Als statisch geschlossenes System leitet es äußere Lasten wie Schnee und Wind nur in genau definierten Punkten auf die restaurierte Konstruktion ab.

Bautafel (Auswahl)

Bauherr ÖBB Österreichische Bundesbahnen, Wien

Architekt  kadawittfeldarchitektur, 52064 Aachen

Stahlbau Zeman & Co GmbH, 1120 Wien

Dacharbeiten JNS Dachtechnik GmbH,

83620 Feldkirchen

Dachbahn „Rhenofol“-Dachbahn und passendes ­Zubehör

Hersteller FDT FlachdachTechnologie GmbH & Co. KG, 68199 Mannheim

Glasdach Zeman & Co GmbH, 1120 Wien

Pneumatisches Luftkissen Nowofol Kunststoff­produkte GmbH & Co. KG, Siegsdorf

dach+holzbau: Beim Umbau des Salzburger Hauptbahnhofs hatten Sie unter besonderen Bedingungen zu arbeiten, wie müssen wir uns das vorstellen?

Erwin Neureither: Beim Hauptbahnhof wurden die Bahnsteige und die Bahnsteig- Überdachungen neu gebaut. Sowohl der Abriss als auch der Neubau wurden unter laufendem Bahnbetrieb ausgeführt. Der Terminplan für die Stilllegung der einzelnen Bahnsteige wurde von der ÖBB über die ganze Bauphase – etwa 3,5 Jahre – im Voraus festgelegt. Die Einhaltung der Termine für die einzelnen Bauabschnitte war eine große Herausforderung. Zum Teil wurde nachts gearbeitet, da einzelne Gleise nur dann stillgelegt werden konnten. Die dynamischen Formen der Dachflächen stellten hohe Anforderungen an die Umsetzung.

Wo lagen die größten Herausforderungen? Im Bereich des historischen Bahnhofgebäudes wurde der eine Dachrand kontinuierlich angehoben, wobei die Höhenkote der Mittelrinne unverändert beibehalten wurde. Dadurch ergibt sich eine konkav gebogene Dachform. Zwei Bahnsteigdächer wurden mit einer Stahlkonstruktion, welche durch ein Luftkissendach getragen wird, verbunden. Die Stahlkonstruktion sitzt auf einzelnen Stützen mit Abstand zum Hauptdach. Unter dem Luftkissendach läuft die Dachspitze, die ebenfalls kontinuierlich angehoben wird.

Gab es Details oder Anschlüsse, die erst in der Bauphase selbst sinnvoll geplant und ausgeführt werden konnten?

Aus konstruktiven Gründen sind die Dachränder von Hauptdach, Dachspitze und Luftkissendach nicht parallel geführt. Diese Verschneidungen waren in den Plänen jedoch nur schwer oder gar nicht zu erkennen. Die Anschlussbleche wurden vor Ort gemessen, in der Werkstatt gefertigt und zur Baustelle transportiert. Dies war eine zusätzliche Belastung zu den von Haus aus knappen Terminen. Erschwerend kam hinzu, dass das Dach – beim ersten Bauabschnitt aus Zeitgründen –  von den beiden Enden zur Mitte gebaut wurde. Die Kommunikation zwischen Nord und Süd war sehr aufwendig.

Innenliegende Rinnen entwässern das gesamte Dach des Bahnhofs. Warum wurden die Rinnen mit Kunststoff-Dachbahnen ausgekleidet?

Geplant war zunächst eine Rinne in Edelstahl. Aus der Planung zeigte sich jedoch, dass die Rinne eine Abwicklung von mehr als 1000 mm haben wird. Als hochwertige Alternative haben wir die Rinne aus Verbundblech mit einer Kunststoff-Dachbahnbeschichtung angeboten. Denn neben den gleichwertigen Eigenschaften konnte die von uns angebotene Rinne zweiteilig gefertigt und auf der Baustelle nach dem Montieren mit einem Folienstreifen thermisch verschweißt werden. Dies vereinfachte gegenüber der Edelstahl-Rinne die Montage sowie den Transport erheblich. Eine Edelstahl-Rinne hätte zudem als Ganzes transportiert werden müssen. Auch wäre deren Einbau erst nach Fertigstellung der Blecheindeckung möglich gewesen.

Im Ausland zu arbeiten erfordert meist einen Mehraufwand. Galt das auch für die Baustelle in Salzburg?

Der Mehraufwand im Ausland sind sicherlich Übernachtungen und größere Distanzen. Anderseits kann einem das auch ­innerhalb Bayerns passieren. Die La­­­­­germöglichkeiten innerhalb der Bahnanlage waren eher knapp. Der große Teil der Materialien wurde „just in time“ angeliefert, also vom Lkw direkt aufs Dach gehoben. Kleinere Mengen konnten außerhalb der Gleis-Anlagen zwischengelagert und mit einem Klein-Lkw zum Einsatzort gefahren werden.

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