An der Leine durchs Grüne

Gut gepflegte Gründächer sind nicht nur ökologisch sinnvoll, sie sind auch ein zusätzlicher Schutz der Dachhaut. Damit sie ansehnlich bleiben, müssen sie regelmäßig gepflegt werden. Um Schutzmaßnahmen gegen einen Sturz vom Dach kommt man dabei nicht herum.

Substrat auffüllen, Sträucher stutzen oder die Lichtkuppeln reinigen – auf begrünten Dächern fallen viele Arbeiten an. Gesetzgeber und Berufsgenossenschaften schreiben dabei vor, auch auf flachen Dächern die absturzgefährdeten Bereiche zu sichern. Ganz eindeutig gilt hierbei: Wird das Dach regelmäßig betreten oder von Gärtnern gepflegt, die nicht im Umgang mit Persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) geschult sind, muss ein fester Seitenschutz her, etwa ein Geländer. So schreibt es die DIN EN 4426:2013 vor. Damit können recht umfassend Absturzkanten an den Dachrändern gesichert werden.

Individuelle Absturzsicherungen bei Gründächern

Handelt es sich um eine extensive Dachbegrünung, die deutlich weniger pflegeintensiv ist, ist eine Sicherung der Dachfläche mit Anschlageinrichtungen oft die bessere Lösung. Wird die Dachfläche nämlich nur selten und für kurze Arbeitseinsätze begangen, können individuelle Absturzsicherungen wie Anschlagpunkte und Seilsicherungssysteme durchaus vorgezogen werden. Ein großer Vorteil: Seilsicherungssysteme stören die Ästhetik kaum – und gerade die ist bei Gründächern ein wichtiger Faktor.

Klarheit im Paragraphendschungel

Bei der Montage von Absturzsicherungen sehen sich Dachdeckerbetriebe und Bauherren seit einiger Zeit jedoch mit einem Problem konfrontiert. Das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) fordert eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) für bestimmte Sicherungslösungen, die am Gebäude befestigt werden. Zu der Frage, für welche Absturzsicherungen eine abZ erforderlich ist, kursieren jedoch so viele Ansichten und Interpretationen, dass die Branche mehr als verunsichert ist. Übervorsichtig bestehen daher viele Bauherren pauschal auf eine Zulassung, selbst wenn diese überhaupt nicht erforderlich ist und daher auch gar keine zugelassenen Produkte erhältlich sind. Gerade bei Gründächern lässt sich diese Problematik aber unkompliziert umgehen.

Auflastsysteme brauchen keine bauaufsichtliche Zulassung

Rechtliche Grundlage der Forderungen einer abZ für Absturzsicherungen ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 21. Oktober 2010. Hier wird definiert, dass „Anschlageinrichtungen der Klasse A1 im Sinne der EN 795“ nicht zur Persönlichen Schutzausrüstung gehören. Weiter heißt es: „soweit sie hergestellt worden sind, um dauerhaft mit einem Bauwerk verbunden zu werden“, sind sie als Bauprodukte einzustufen.

In Folge dieses Urteils hat das DIBt die Forderung eines Verwendbarkeits- und Übereinstimmungsnachweises für die Nutzungssicherheit von „Bauliche[n] Verankerungen (Anker) von Anschlagpunkten für Anschlageinrichtungen“ in die Bauregelliste auf­­­genommen (Quelle: aktuelle Bauregelliste vom 6. Oktober 2015). Das heißt aber auch, dass für Systeme, die durch Eigenlast beschwert sind, die Bauregelliste keine Anwendung findet, denn diese Systeme sind nicht im oder am Gebäude verankert. Eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung ist hier also überflüssig.

Durch Eigenlast beschwerte Absturzsicherungen erkennt man an der Zertifizierung nach DIN EN 795, Typ E. Sie können für Einzelanschlagpunkte ebenso genutzt werden wie für Seilsicherungssysteme. Und weil sie häufig mit Substraten oder Kies beschwert werden, sind sie bestens für die Integration in Dachbegrünungen geeignet. Auch die Frage nach der zusätzlichen Auflast stellt sich in diesem besonderen Fall nicht, da die Dachfläche für die Begrünung ohnehin ausreichend tragfähig sein muss.

Mit gut geplanten Seilsicherungssystemen lassen sich komplette Dachflächen über nahezu unbegrenzte Strecken unterbrechungsfrei sichern. Aber aufgepasst: Wer ein solches System verbaut, sollte die (ohnehin vorgeschriebene) Montagedokumentation auch lückenlos durchführen. Eine Fotodokumentation ist dabei unumgänglich. Schließlich ist bei der jährlich vorgeschriebenen Überprüfung der Anschlageinrichtung von der Unterkonstruktion nicht mehr viel zu sehen, wenn diese bepflanzt wurde. Sind hierbei aber alle Unterlagen komplett und die jährliche Überprüfung fällt positiv aus, steht einer dauerhaften Nutzung des Systems über viele Jahre nichts im Wege.

Autor
Michael Podschadel ist bei ABS in Kevelaer für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich.

Eine bauaufsichtliche Zulassung ist für Systeme, die nicht mit dem Gebäude verankert sind, überflüssig

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