Schiefer Schießen statt Nageln: Druckluftnaglersystem für Schiefer am Rittergut Ohr

Seit 1307 befindet sich das aus fünf Gebäuden bestehende Rittergut Ohr im Besitz der Herren von Hake. 1872 entstand das bis heute bestehende Herrenhaus, eine Besonderheit des zweigeschossigen, verputzten Massivbaus mit Walmdach sind seine aufwändigen Terrassenanlagen. Größere Bekanntheit erlangte das Gut vor allem wegen des 45 Hektar großen Parks, der liegt in Sichtweite des Rittergutes auf dem Ohrberg.

Vom Dach bis in den Keller

Um das Herrernhaus auch für die Zukunft zu erhalten, war eine umfassende Sanierung nötig. Durch die Arbeiten am Dach sollten Schäden an der tragenden Holzkonstruktion ausgebessert werden. Aber auch die Durchfeuchtung des Kellergeschosses und der Sockelebenen, Brüche in den Fensterstürzen und Setzungsschäden der Anbauten mussten beseitigt werden. Die Sanierung des 750 m² großen Walmdachs mit Rechteckschiefer-Doppeldeckung war besonders aufwendig.  Sowohl die Deckart wie auch das Material Schiefer sind für die Region eher ungewöhnlich, was ein Grund sein könnte, warum das Dach schon ziemlich lange Undichtigkeiten hatte, wie sich Dietrich Freiherr von Hake erinnert. Er ist auf dem Gut aufgewachsen und sagt: „Wenn Regen und Wind ungünstig zusammenkamen, wurde das Dach undicht. Bei solchen Wetterlagen wurden auf dem Dachboden Wannen hin und her geschoben.“

Sparren ausgleichen, Unterdeckbahn verlegen

Das Dach erneuerten die Handwerker rund um Dachdeckermeister Stephan Stallmann von der Dieter Griese GmbH Bedachungen aus Emmerthal. Zunächst bauten die Dachdecker die vorhandene Deckung abschnittsweise bis auf die Sparren zurück. Um bei der späteren Neudeckung mit den 60 x 30 cm großen Rechteckern möglichst wenig Unebenheiten in der Fläche zu haben, wurden die Sparren ausgeglichen und seitlich Bohlen angelascht. So glich man Höhenunterschiede von teilweise bis zu 20 cm aus.

Anschließend verlegten die Dachhandwerker oberhalb der Sparren eine Unterdeckbahn mit selbstklebenden Überlappungsstreifen, die sie mit der Konterlattung fixierten. Die Unterdeckbahn diente während der Dachsanierung als Behelfsdeckung und schützt die Dachkonstruktion vor Schäden durch Regen- oder Schneeeintrieb. Auf die Konterlattung folgte eine auf die Schieferdeckung abgestimmte Traglattung. Abschließend schieferten die Dachhandwerker die so vorbereitete Dachfläche mit den Rechteckern.

Mit Dübeln, Nägeln und Druckluftnagler

Die Dachdecker verlegten die „Primero-Fixx“-Rechtecker, vorsortierte Schiefersteine für die Befestigung mit dem Druckluftnagler-System der Primero Schiefer GmbH. Die Befestigungsmethode ist in die vom Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks, ZVDH, herausgegebenen Fachregeln für Deckungen mit Schiefer unter der Rubrik Befestigungsmittel „Drucklufttechnik“ aufgenommen. Sie zählt damit zum anerkannten Stand der Technik.

Die „Primero-Fixx“-Schiefersteine werden im Werk vorgelocht und mit Schieferdübeln aus Polyamid ausgestattet. Bei der späteren Befestigung der Schiefer versenkt sich der Nagelkopf oberflächenbündig in die Dübel. Gleichzeitig sorgt er bei der Vernagelung mit einem Druckluftnagler für eine gleichmäßige Druckverteilung auf dem Schiefer. Zum System gehört auch der Nagel, er ist aus Edelstahl gefertigt und mit der Kopfprägung „P“ ausgestattet. Der Ringschaft des Nagels erhöht die Auszugswerte und soll für den dauerhaften Halt des Schiefers an Dach und Fassade sorgen. Untersuchungen beim Materialprüfungsamt Dortmund zeigen laut Hersteller Primero Schiefer: Schiefer, die mit zwei „Primero-Fixx“-Nägeln befestigt sind, haben einen fast doppelt so hohen Auszugswert als bei einer traditioneller Befestigung mit „Handnagelung“ und 2,8 x 35 mm Kupfernägeln.

Komplettiert wird das System mit dem „Primero-Fixx“-Druckluftnagler, der per Schlauch mit einem Druckluftkompressor verbunden wird. Der Nagler hat ein Gewicht von etwa 1,2 kg im leeren Zustand. Der Dachdeckerbetrieb von Stephan Stallmann hat das Druckluftgerät von der Firma Primero Schiefer leihweise für diese Baustelle erhalten.

Zeitersparnis durch Druckluftnagler

Für Dachdeckermeister Stephan Stallmann hat sich der Einsatz der „Primero-Fixx“-Schiefer-Rechtecker und des Druckluftnagler-Montagesystems gelohnt. „Wir hatten mit dem Druckluftnagler und den vorgelochten und gedübelten Schiefersteinen eine Zeitersparnis von mehr als einem Drittel für die gesamte Sanierung. Das Montagesystem lohnt sich vor allem bei großen Dachflächen“, sagt der Dachdeckermeister. In gut zehn Wochen konnte er mit seinem Vier-Mann-Team das komplette Dach des Herrenhauses in Emmerthal sanieren. Neben den Schieferarbeiten gehörten zu den Aufgaben der Dachdecker auch der Rückbau von insgesamt fünf Schornsteinköpfen sowie die Erneuerung zahlreicher Mauerabdeckungen aus Zinkblech. Alle Dacharbeiten wurden in enger Abstimmung mit der Denkmalbehörde ausgeführt.

Auf Schiefer verewigt

Natürlich hielt das alte Bauwerk auch einige Überraschungen für die Handwerker bereit. So waren Sandsteinfensterbänke gar nicht aus Sandstein und manches Betonbauteil gar nicht aus Beton. Auch für die Dachdecker gab es eine – wenn auch eher positive Überraschung: Einer der vorhandenen Schiefersteine trug einer alten Handwerkertradition folgend die eingeritzte Jahreszahl 1904. „Sie stammt wahrscheinlich aus einer früheren Reparatur des Daches“, vermutet Dachdeckermeister Stallmann. Selbstverständlich haben seine Mitarbeiter die Tradition fortgesetzt und sich auf einem der neuen Schiefer-Recktecker verewigt.

Sven-Erik Tornow ist Baufachjournalist und betreibt die Agentur Flüstertüte in Köln.