Engineers without borders: Studenten aus Karslruhe bauen ehrenamtlich Schule für Waisenkinder auf Haiti

Kindern in Haiti eine Zukunft bieten – das ist das Ziel der ehrenamtlichen Helfer von „Engineers Without Borders“ und „Pwojè men kontre“. Sie planen und bauen in Beaumont eine Schule und eine Unterkunft für Waisenkinder. Unterstützt wird das Projekt mit einer Materialspende des Schraubenherstellers Heco.

Im bergigen Südwesten von Haiti, inmitten tropischer Wildnis, liegt die Kleinstadt Beaumont. Seit zwei Jahren trifft man hier zeitweise immer wieder auf einige Studenten aus Deutschland, die ihre Semesterferien damit verbringen, ehrenamtlich zu helfen. Die Studenten gehören zu einer Projektgruppe von „Engineers Without Borders e.V.“ (EWB), einer Organisation des Karlsruher Instituts für Technologie. Sie wurde gegründet, um humanitäre Hilfe zu leisten. Gemeinsam mit der Hilfsorganisation „Pwojè men kontre Haiti – Deutschland e.V.“ stellen sich die Studenten einer neuen Aufgabe: dem Bau einer Schule und eines Waisenhauses mit dazugehöriger Infrastruktur sowie Kantine und Krankenstation. Die beiden Organisationen haben schon in der Vergangenheit erfolgreich zusammengearbeitet. Nachdem Dr. Anke Brügmann, Vorsitzende von „Pwojè men kontre“, die Lage der Waisenkinder in Beaumont schilderte, waren die Studenten sofort bereit, auch hier mit anzupacken. „Die neuen Räumlichkeiten sind dringend notwendig, denn die alten platzen aus allen Nähten“, so Dr. Anke Brügmann. Hinzu kommt, dass in unmittelbarer Nähe zur bisherigen Schule eine viel befahrene Nationalstraße gebaut werden soll. Mit dem Umzug auf das neue Gelände, das etwas außerhalb der Stadt liegt, sollen die Kinder wieder in Sicherheit wohnen und lernen können. Die alten Gebäude bleiben unterdessen nicht ungenutzt – sie dienen weiterhin als Ausbildungszentrum für die älteren Kinder.

Gebäude zum Lernen und Wohnen

Insgesamt 300 Schüler und 70 Waisen sollen auf dem neuen Gelände untergebracht werden. Zusammen mit der Partnerorganisation berieten die Mitglieder von EWB, welche Gebäude notwendig sind und in der ersten Bauphase errichtet werden sollten. Dementsprechend legten die Studenten mit der Planung in Karlsruhe los und achteten dabei insbesondere auf eine erdbebensichere Bauweise. Sie konstruierten eine Aula, die als Versammlungs-, Fest- und Unterrichtssaal dient sowie einige Nebenräume, die als Büro, Spiel- und Nähzimmer, Bibliothek und Lagerräume genutzt werden. Die Funktionsräume ordneten sie L-förmig um die 133 m² große Aula an. Einen besonderen Nutzen hat eine Photovoltaikanlage auf dem Auladach: Sie wird künftig das ganze Grundstück mit Strom versorgen. Beton und Mauerwerk wurden um Dachkonstruktionen aus Holz ergänzt. Die sorgen für eine angenehme Atmosphäre in den Räumen. Kaum waren die ersten Statiken erstellt, folgte auch schon die praktische Umsetzung. Insgesamt 18 Studenten reisten dafür von August bis Dezember 2015 nach Haiti. Gearbeitet wurde in wechselnder Besetzung, da sich aus Platz- und Sicherheitsgründen maximal zehn Personen auf der Baustelle aufhalten konnten. Manchmal wurde es auch spät, sodass man die fleißigen Helfer nach der Abenddämmerung noch antraf.

Deutsche Organisation und haitianische Flexibilität

Die zentral gelegene Aula spielt als großer Versammlungsraum eine besondere Rolle. Deshalb bildete der Bau der Aula den Startschuss des praktischen Einsatzes. Sie hat Stützen und Wände aus Stahlbeton, ist auf einer Seite offen und wird von Wellblech bedeckt. Die tragende Satteldachkonstruktion wurde mit einer Software als 3D-Modell bemessen. Dank seiner bauphysikalischen Eigenschaften bietet Holz beste Voraussetzungen für die Verwendung im Erdbebengebiet. Damit das Mauerwerk möglichst wenig belastet wird, achteten die Studenten auch auf eine filigrane Ausführung der Holzdachkonstruktion. Vieles ließ sich im Vorfeld planen – nicht so die Materialbelieferung. „Das war so eine Sache. Wir wussten nie genau, ob Material kommt, wann es kommt und in welchem Zustand“, erklärt die Studentin Julia Schymalla. Hier musste die deutsche Organisationskunst der haitianischen Flexibilität weichen. Auf ordentliche Befestigungsmittel wollten die Studenten dennoch nicht verzichten und sorgten daher vor.

Schrauben für Dachkonstruktion

Als Befestigungsmaterial der Konstruktion entschieden sich die Planer für Vollgewindeschrauben mit einem Gewindedurchmesser von 6 mm. Rund 6000 Schrauben vom Typ „Heco-Unix-top“ mit 50, 70 und 100 mm Länge kamen zum Einsatz. Sie dienten zum Befestigen der Firstknoten im Fachwerkbinder. Sie fixieren dort je fünf Holzteile und leiten zugleich hohe Lasten ab: die hohen Zugkräfte der mittleren Binderstreben sowie die Druckkräfte, die über die Obergurte in die Firstknoten eingeleitet werden.

Es geht weiter

Der Anblick der glücklichen Kinder, die in ihrer neuen Aula spielen und tanzen, macht die ehrenamtlichen Helfer sichtlich stolz auf ihre Arbeit. Doch mit dem Bau der Aula und der Funktionsräume ist das Projekt noch nicht abgeschlossen: Bis 2018 sollen in den nächsten Bauphasen mehrere Wohnhäuser für die Waisenkinder, ein Verwaltungsgebäude, eine Krankenstation und eine Wäscherei errichtet werden. Demnach werden auch noch in den nächsten Semesterferien zahlreiche Mitglieder von „Engineers Without Borders“ nach Haiti fliegen und mit Herz und Hand an der Zukunft hilfsbedürftiger Kinder weiterbauen.

Autor
Tobias Zeller ist Pressereferent der Heco-Schrauben GmbH & Co. KG in Schramberg.

Über die Organisationen

„Pwojè men kontre Haiti – Deutschland e.V.“ ist eine 2002 gegründete, unabhängige Hilfsorganisation. Übersetzt bedeutet der haitianische Name „Projekt der begegnenden Hände“, was für die enge Zusammenarbeit mit Haitianern steht. Im Zentrum der vielen Teilprojekte steht die Kleinstadt Beaumont.

Engineers Without Borders wurde 2004 als Hochschulgruppe der technischen Universität Karlsruhe gegründet und umfasst mittlerweile 250 studentische Mitglieder. In verschiedenen Projektgruppen leisten engagierte Studenten Entwicklungszusammenarbeit in aller Welt. Das Bauprojekt in Haiti dokumentieren sie im Internet: www.ewb-karlsruhe.de/beaumont

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